AN JOHANN JOSEF FELDER [IN ARCACHON]

lfndenr: 
234
20. September 1866

Lieber Vetter!

Mein letztes Schreiben von Bludenz aus hast Du unbeantwor­tet gelassen und erst später ein Lebenszeichen von Dir gege­ben. Wenn Du dadurch mir weh thun wolltest so hast Du Deinen Zweck vollkommen erreicht, doch ich will nicht zu empfindlich sein! Noch immer bin ich Dein treuer Freund, der nie aufhört, für Dich zu wünschen und zu hoffen. Als sol­cher nun ist es mir nicht möglich Dich noch länger ohne Nachricht von den Deinen zu lassen.

Dein Vater ist immer schwächer. Kein Mensch glaubt, daß er noch einen Sommer erleben werde. Mir scheint er aber nicht nur körperlich sondern auch geistig sehr krank zu sein. Diese Kälte und Gleichgültigkeit auch gegen das Nächste, dieser Fatalismus war sonst seinem Wesen ganz fremd. Wer ihn so sieht und hört, hofft nicht, daß er Dir noch schreiben werde. Ich halte mich nun völlig für verpflichtet, im Nahmen Deiner des Schreibens unfähigen, fast blinden Schwester, diese Zei­len an Dich, ihre Sorge und ihre Hoffnung, zu richten. Ich wüßte nichts, wodurch ich mich unwerth Deines Vertrau­ens gezeigt hätte und bitte Dich daher in Deinem eigenen Interesse, mir in einer baldigen Antwort offen, wie es des Freundes würdig, Nachricht über Deine jetzige Lage zu geben und auch die Summe zu nennen durch die Dir geholfen werden könnte. Du darfst nicht so angebunden und abhängig bleiben so lang ich etwas für Dich thun kann. Auch wenn Du nicht Lust hättest nach Hause zu kommen müßte das anders werden und ich bin fest entschlossen Dir zu helfen. Glaube an mich an die Freundschaft, sei offen gegen mich und ich werde wol im Stande sein etwas zu thun. Wenn Du den Vater noch treffen möchtest müßtest Du bald kommen, daß wir alle Dich jubelnd begrüßen würden hab ich Dir schon viel und vielmal geschrieben.

Jetzt ist Boldo Maiki als Magd bei Deinem Vater, der Dir noch nichts von seinem Anwesen verkaufte. Sie haben mit fremden Leuten das Heu untergebracht. Wer es wol füttern wird?! Nun noch etwas von mir selbst.

Ich habe bereits vier Kinder, einen Jakob, Kaspar, Hermann und eine Maria Katharina. Alles bei mir ist gesund und läßt Dich recht herzlich grüßen. Als Schriftsteller hab ich wirklich erstaunlich Glück. Du weißt, wie gern ich immer schrieb u. dichtete nun will man in mir ein nicht unbedeutendes Talent sehen. Ich habe mir die bedeutendsten Gelehrten zu Freun­den gewonnen und darf meinem demnächst in Leipzig er­scheinenden Roman eine schöne Zukunft versprechen, we­nigstens haben die Kenner schon mit wahrer Begeisterung davon geredet. Unsere Pfäfflein werden mit dem Werke aller­dings nicht zufrieden sein und großes Wehklagen wird dar­über entstehen in Israel, aber es ist Zeit daß man den Herren endlich einmal auf die Finger klopft und ich kann das, daß Du Deine Freude daran haben wirst. Wohin ist unser Staat durch die Pfaffen und Beamtenwirthschaft gebracht worden! Die Ereignisse der letzten Monathe haben es gezeigt. Sie haben aber auch gezeigt, wo den Deutschen ein Liecht kommt. Wir alle, das heißt meine Freunde erwarten von Preußen die Hebung zum Einheitsstaat, und in Preußen sind so tüchtige Elemente im Volk, daß man nicht verzweifeln darf denn was dort wächst muß schließlich auch uns zu Gute kommen. Auch hier in Deiner Heimath würdest Du Dich freuen, nicht mehr die alten Kaffeesatzhelden anzutreffen. Es regt sich!

Meine Bibliothek wird auch von den Bauern benützt und ohne mich werden 13 Zeitungen gehalten. Ich habe manchen tüchtigen Wälder kennen gelernt mit dem zu leben und zu Wirken eine wahre Lust ist. Ich sitze nämlich nicht mehr immer nur daheim im Schmollwinkel wovon Dir meine Landsleute zu erzählen wüßten. Jetzt hab ich einen Ausflug zu meinen Freunden in Leipzig (Schriftstellern) im Plan, wie bald er ausgeführt wird, weiß ich noch nicht, der Krieg hat mir durch manche schöne Rechnung einen Strich gemacht und besorgt sehe ich neue Gewitterwolken am politischen Him­mel herauf ziehen. Johann Rüscher, der s g Kapuziner ist in Algier, Albrecht Hironimuß ist gestern verlumpt von Wien hier angekommen, obwol er da keine Heimath und kein Ver­mögen mehr hat. Gottlob, so müßtest Du nicht kommen. Meine Freunde, die Oberhauser, sind noch lustig und ledig. Sie verdienen sehr viel und haben die Gabe, sich wol sein zu lassen ohne zu verschwenden. Unsere Vetter sind tüchtige Bursche geworden, viel größer und stärker als ich den Du noch mager und weis finden wirst. Ich werde Dir einstweilen meine Photografie beilegen und hoffe dafür die Deine oder noch lieber Dich selbst bald zu sehen.

Ich schließe mit dem herzlichsten Wunsche, bald mündlich mit Dir reden zu können. Jedenfalls erwarte ich baldige Antwort, damit etwas für Dich gethan werden kann. Mit 10000 herzlichen Grüßen

Dein treuer Freund

Franz Michael Felder

Keine