AN JOHANN THOMAS STETTNER IN LINDAU

lfndenr: 
77
22. April 1863

Verehrtester Herr Stettner!

Hiemit sende ich Ihnen den ersten Bogen meines „Nümma­müllers" wieder zurück. Ich habe nur wenig zu ändern gehabt u. bin mit den Verbesserungen, welche Sie zu machen die Güte hatten, vollständig einverstanden, eine ausgenommen: die Stelle auf Seite 8. oben, Zeile 3 „und die für eine der schönsten Motla" u.s.w. Bei Motla kommt in der Wälder­sprache nie das sächliche Geschlecht vor, sondern nur das Weibliche. Allerdings hat das hochdeutsche Wort: „Mäd­chen" das sächliche Geschlecht; bei uns aber heißt es eine Motol u. ich habe mir daher das s wieder zu streichen erlaubt. Seite 9. Hölzlar (Holzschuhe) heißt in der Endung, wie es hier vorkommt: Hölzlarn.

Seite 11 - Mit Rechenmachen u.s.w. Sollte dieses Wort nicht etwas größer gedruckt werden? es bezeichnet die gegenwär­tige Beschäftigung des Schwarzokaspale an. Seite 14 „Äh!" so heißt bei den Wälderinnen der Ausdruck des Schreckens oder des Unwillens u. ich habe daher das „Ah" gestrichen.

Das Wort „beigutt" muß durch bei Gott erklärt werden, man sagt sowohl bigutt als beigutt u. die gleiche Person sagt oft in einer Minute beides denn die Wälder haben an Ausdrücken wie bei Gott! - Sakrament u.s.w. einen Buchstaben hinzu­gefügt, weggelassen oder verändert. Da heißt es: Beigutt! Bei­grott, Sakramentsch u.s.w. es heißt: Wenn man „Bei Gott" sagt so ist es Sünde, aber wenn man „Beigutt" sagt, nicht. Wenn Sie glauben, daß dieses bemerkt werden sollte so bitte ich Sie, es unten nach dem erklärenden „Bei Gott" hinzu­fügen. Zu dem Gedicht glaube ich seien keine Erklärungen mehr nötig. In Goethe Band l Seite 122 Klassiker Ausgabe 1853. ist ein Schweizerlied, aber nicht ganz hochdeutsch, es hat viel ähnliches mit diesem. Und ich habe Gründe zu der Vermuthung, daß das Goethesche Lied diesem nachgedichtet ist.-

Seite 15 Pfarrer: Vetter. Vetter ist nicht der Geschlechtsnahme vom Pfarrer, sondern ist ein Vetter vom Senn, der sich natür­lich auf diesen wie auf seine ganze Familie sehr viel einbildet u. gern von ihm erzählt.

Das wären die Bemerkungen, die ich noch zu machen habe u. ich stelle es Ihnen nun frei, ob sie bei Rechenmachen oder bei dem Wort beigutt dieselben benützen wollen. Zugleich danke ich Ihnen herzlich für Ihre freundschaftliche Güte, die Sie mir bei der sorgfältigen Durchsicht meiner Erst­lingsarbeit aufs Neue bewiesen haben u. verbleibe mit aller Hochachtung Ihr ergebenster

Franz Michel Felder