KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER

lfndenr: 
118
16. April 1864

Lieber Freund!

Ich erwartete diese Tage ein Schreiben von Dir, weil ein solches nun nicht einlangte, setze ich mich nieder, um eines an Dich zu richten. - Die Landeszeitung hat mein an sie gerichtetes Schreiben vollständig gebracht, aber erst über eine Mahnschrift von mir. Der Redakteur Hagen hat sich dann in einem recht freundschaftlichen Briefe über die Ver­zögerung gerechtfertigt. Der Dr. Vonbun ist mit meiner Ent­gegnung sehr wohl zufrieden und äußerte sich wiederholt, daß er sie gern gelesen habe und mit dem Hauptinhalt ein­verstanden sei. Er gestand, daß seine Einsendung zu wenig gefeilt gewesen und Unrichtigkeiten enthalte, daß aber in Deinem Buche keine einzige „Sage" vorkomme, dabei schien er beharren zu wollen. Er berief sich auf Definitionen der Gelehrten und meinte, er könnte und wollte dies in weiterer Erörterung in der Landeszeitung dartun, aber er müßte zu viel und zu Gelehrtes schreiben. Ich forderte ihn auf, er solle weiter seine Sache verfechten, worauf er sich unbestimmt aussprach. Dagegen wollte er mich ermuntern, weiter für das Feuilleton der Landeszeitung zu schreiben, und machte mir das Kompliment, ich habe eine sehr gute Feder und meine Sprache klinge namentlich im Ohre so gut. Berichtigend er­wähnte er, das Adjektiv „verführerisch" habe er nicht so gemeint, wie ich es genommen, hatte aber auf meine Ent­gegnung, wer einen zweideutigen Ausdruck gebrauche, dürfe sich über eine im Wort liegende Interpretation nicht be­schweren, nichts weiteres zu bemerken. Im Ganzen schien mir, daß er keine Lust habe, seinen Standpunkt zu verfechten, und froh sei, so gelinde davon gekommen zu sein. Von Vonbun wird Dir kaum mehr irgendwie opponiert werden, jedenfalls wird er sich die Sache besser anschauen. ­Ich studiere ziemlich fleißig die Resultate Lassallescher For­schung und vergleiche sie mit jenen unseres berühmtesten Finanzmannes Hock und der Arnoldschen Geschichte des Eigentums in Deutschland. Die bezüglichen Werke habe ich im Verlaufe des Winters von Stettner bezogen. - Ich habe kürzlich Einiges meiner gelegentlichen Welt- und Lebens­anschauung unter der Aufschrift ,Stimmungslaute eines unga­rischen Beamten aus Vorarlberg' zusammengestellt und dem Stettner in Lindau zugeschickt. Ich habe hiebei den Zweck, den Eindruck kennenzulernen, den Derartiges in unseren bürokratischen Kreisen macht und was die Leute überhaupt zu diesen meist ungehobelten und ungezähmten Gebilden sagen. So was würde gewiß niemand hinter einem Beamten suchen und namentlich hinter mir nicht. Jedenfalls wird man meinen, einer von dieser Gemütsart werde unmöglich ein rechter Beamter sein. Ich gewinne hiedurch nun die Er­fahrung, was die Leute sich unter einem kaiserlichen Beamten denken und was man überhaupt in und außer der Bürokratie für eine Meinung über die Bürokraten hat. ­Doch weiß ich noch nicht einmal, ob Stettner den Kram drucken und verlegen will oder nicht. Möglicherweise halt er das Ganze nur für einen schlechten Spaß, in welchem Fall ich ihm nicht ganz Unrecht geben kann. Man erwartet jetzt alle Tag die Genehmigung des Vorarlberger Gemeindegesetzes, wonach dann wahrscheinlich ohne Verzug die Neubesetzung der Gemeindeämter erfolgen wird. Ob es in Au und Schop­pernau wohl recht hitzig hergehen werde? und ob nicht etwa ein Poet dort zu Amt und Würde gelange? Prosit! ­Eben lese ich in der Landeszeitung, daß die in Wien er­scheinende Beamtenzeitung von einem Mittelberger namens Engelbert Keßler redigiert werde. Dies ist mir überraschend neu und wird mich vielleicht veranlassen, die Zeitung zu bestellen. -

Ich erwarte nun baldige Antwort auf meinen letzten und diesen Brief, wobei Du mir auch mitteilen wirst, wie es mit dem gemein bestellten Allioli steht und was ich für ihn und Liebig Dir zu zahlen habe. -

Vor einigen Wochen habe ich mit Vonbun Flirs ,Briefe aus Rom' kommen lassen, die uns, da Flir einer unserer be­liebtesten und besten Professoren war, viel Vergnügen und Belehrung brachten. Man gewinnt dadurch interessante Ein­sicht in die kirchlichen und staatlichen Verhältnisse Roms und in den Reichtum des Flirschen Geistes. Diese Schönheit eines konzentrierten Geisteslebens war für mich ein Labsal. ­Mein Weibl ist wohlauf und freut sich, daß es morgen eine Gehilfin in Gestalt einer Magd bekommt. Weil unsere Motl nicht kommen wollte, habe ich nun eine von Bings bestellt. Grüß mir alles aufs freundlichste und schreibe bald Deinem Freunde

K. Moosbrugger

Keine