KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER

lfndenr: 
129
19. September 1864

Lieber Freund!

Aus Deinem letzten Schreiben kann ich nicht entnehmen, welchen Eindruck der Preßprozeß auf Dich gemacht hat. Es wäre mir sehr lieb, diesen näher kennenzulernen. Wie erschien Dir also die Sache des Kunz, wie die Verteidigung, wie das Urteil erster und zweiter Instanz, wie das Verhältnis desselben zum positiven Recht (dieses kennst Du ja) und wie zum ideellen? Die Art des Verfahrens scheint Dir am wenig­sten zu gefallen, was ist also an den Juristen auszustellen? Mir wäre eine freie, offene Ansichtsäußerung über diese Punkte, wie erwähnt, sehr lieb. Demokraten pflegen, wie Du bei Lassalle bemerken wirst, frei und männlich zu reden, und Du hast Recht, über eine Menschenart, die das Gegenteil wahrer Volksfreunde repräsentiert, d. h. über einige Kor­respondenten der Landeszeitung, ungehalten zu sein. Ich darf daher eine eher nach Lassalle, als nach der Landes­zeitung riechende Antwort erwarten. Mir sind die fraglichen Korrespondenzen im geringsten nicht aufgefallen, wohl aber fiel mir die [. ..] auf, die sie dem nun verstorbenen großen Demokraten bei Erwähnung seines Todes antat. Hiedurch beschmutzte sich diese Zeitung mehr als alles andere, was sie bisher gedruckt hat. Lassalles Sache lebt und wird leben, so lang die Welt besteht, und je länger Du ihn liest, desto mehr wirst Du in ihn verhitzt werden. Was ist mit den 10 Prozent Rabatt, die Du hast? Ich möchte das System der erworbenen Rechte von Lassalle bestellen, wenn Du es Vio wohlfeiler bekommst als ich, so bitte ich, es gleich zu be­stellen. - Wenn Du den Schulze gelesen hast, so mußt Du auch den Schulze-Bastiat lesen, den ich Dir nach Belieben schicken kann. Nach Lesung desselben wirst Du dann zu beurteilen in der Lage sein, ob ich den Schulze auch lesen soll. Die Bibel bitte ich, jemandem, der gelegentlich herauskommt, zu übergeben. Julius gedeiht nun trotz Muos. Den Preß­prozeß bitte ich auch gelegentlich mir einzuhändigen, weil ich ihn noch brauchen werde. -

Ich war gestern beim Sängerfest in Hohenems und habe der Entstehung des bezüglichen Artikels, der in der Landeszeitung erscheinen wird, zugeschaut. Ich wünschte, Du wärest auch anwesend gewesen. Deine Scham, ein Vorarlberger zu sein, würde jedenfalls geringer geworden sein. Der Geist, der dieses Fest belebte, ehrt Land und Volk. ­Die Gemeindewahlen sind in unserm Bezirk vorbei und die Geldaristokratie hockt nun in dem emsig bereiteten Nest. ­Dein Freund

K. Moosbrugger.

Keine