VON FRANZ XAVER JOCHUM AUS WIEN

lfndenr: 
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24. September 1864

Theurer Freund!

Dein Schreiben vom 28ten August habe ich, aber erst vor kur­zem erhalten. Ich wollte Dir schon vor einigen Wochen den zweiten Brief übersenden, es gieng mir aber wie gewöhnlich, nämlich ich verschob es immer weiter, bis mich endlich Dein Brief dazu drängte.

Es freute mich sehr zu erfahren, daß alles in Deinem Hause gesund ist u. daß noch dazu Dein schriftstellerischer Ruhm bedeutend vergrößert wurde, ja daß Du wirklich mit Deinem ersten Bändchen schon in dieser Beziehung festen Boden gefunden hast, auf dem Du sicher u. keck weiter wandern kannst; ja arbeite nur tüchtig vorwärts, denn wenn Du noch mehrere solche u. wie ich meine auch noch gediegenere Werke schreibst u. herausgiebst, dürfte Dir auch die Ehre zu Theil werden, in irgend einer Wiener-Bibliothek aufgestellt zu werden, bisher ist dies Dir noch nicht gelungen, wenigstens in der größten nicht. Ich habe überhaupt von Deinem Werkchen hier noch nicht sprechen gehört, außer was sich sagte, aber wenn die Stimmen im Norden u. Westen verklungen sein werden, so wird das Echo auch im Süd Osten hörbar werden, dazu braucht es selbstverständlich Zeit.

Du wirst fragen, wie geht es Dir? so höre: Ich habe in Wien 2 Quartiere, das eine, wo ich früher war, das andere nicht ferne davon, bestehend aus 3 großen Zimmern u. einem Vor­zimmer das jährlich etwa 700 fl kostet, wohne aber fast durchgehends auf dem Land, in Grinzing nämlich, wo ein guter Wein wächst. Vormittags studire ich meistens, nach­mittags spiele, esse, studire, kegle, plausche u. dann studire ich; abends trinke ich ein ordentliches Quantum exellentes Bier während des Blauschens. Mein Tabak ist Portoriko 1/4Pfund per 60 Xr u. Zigaren das Stück 4 1/2oder 6 Xr. Wenn Du mich irgend einmal als Aufschneider kennen gelernt hättest, so würdest Du sagen, das ist vermuthlich erlogen, so leben allenfalls Grafen u. große Kapitalisten; dann müßte ich Dir antworten, auch ich lebe so zwar nicht als, sondern bei einem Grafen u. Kapitalisten.

Aber nicht alles glänzende ist immer Gold; Ich bin zwar mit benanntem Herrn auf so gutem Fuße, daß man kaum meine Stellung als eine unter ihm sondern neben ihm nennen muß, doch muß selbstverständlich aus Rücksichten von mir manches geschehen, was ich sonst nicht thun würde u. manchmal würde ich gerne auf die Unterhaltungen verzichten, wenn ich studiren oder lesen könnte, ohne daß er es ungern sehen würde.

Vom ersten Oktober an ändert sich die Lage wieder, er zieht in die Stadt u. ich beziehe wieder für beständig das Quartier Nr. 16 Währingerstraße, immer aber bleibt er mir eine Stütze bis ich einen Platz habe, der für meine Bedürfniße mir Mittel schafft, so hoffe ich wenigstens zuversichtlich. Wie das alles gekommen ist zu erzählen, wäre viel zu umständlich u. einiges derart, daß man es einem Dorf­geschichtenschreiber, wenn er auch der beste Freund ist, nicht leicht anvertrauen darf, denn Handlungen „aus un­widerstehlichem Zwange" unternommen, sind, wie es im Gesetze heißt, nicht zuzurechnen, u. die Dorfgeschichten­schreiber haben solche unwiederstehliche Zwänge, wenn man ihnen etwas sagt was in ihren Kram paßt, wie ich schon bemerkt habe.

Mit meiner Garderobe bin ich jetzt ziemlich bestellt, deßhalb bitte u. beschwöre ich Dich nichts mehr von den zurückgelas­senen Fetzen zu erwähnen. Den Stubenrauch bitte ich Dich, wenn es noch nicht geschehen ist, auf wohlfeile Art dem San­dereil am Bürscherberg zu senden u. zuvor sein Primizbild heraus zu nehmen, damit er nicht glaubt ich wolle ihn etwa gar foppen daß ich es ihm zurückschicke; die ändern Bücher lasse vor der Hand liegen.

Vom Geld schicken ist keine Rede, u. ich brauche auch vor der Hand wenigstens keines.

Viele Grüße vor allem an Dich u. das Wible der Wible an die Mutter von Dir u. Deine junge Familie. Schreibe bald wieder einige Zeilen an mich, damit ich erfahre wie es Euch geht. Ein anderes Mal mehr.

Grüße mir meine Mutter, Sieberl's, Thresel, Oberhauser ect. in Au Leo'uos u. Dr. W. ect.

Dein aufrichtiger Freund                                     

Franz Jochum

Jurist.

Keine