AN RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
626
9. November 1868

Liebster Freund

Deine letzten, langerwarteten Zeilen haben mich endlich in Bezau gefunden, wo Freund Feurstein mir einige Wochen der Erholung bei sich in seinem lieben Kreise gönnt. Mich nimmts Wunder, daß Du das nicht schon von Hirzel wußtest, dem ich, seiner freundlichen Aufforderung bei Übersendung der Sonderlinge entsprechend, von hier aus schrieb und Dich grüßen ließ.

Dein letzter Brief hat mich gefreut, wie schon lange nichts mehr. Juhu jolabubuhihiu soll ich mit Dir zu unseren schneebehangenen Bergen hinauf jauchzen mögen. So wärst Du denn endlich droben. Ich athme mit Dir auf, erleichtert und froh, denn auch mir ist damit einer der heißesten Wün­sche erfüllt. Aber ich schwätze da und denke bei allem Reden davon nicht einmal daran, daß ich an einen Professor schreibe. Na Du verzeihst mir schon, denn heut kann ich nicht anders. Mein erster heut an Dich angefangener Brief war so närrisch vor Freude, daß ich ihn gar nicht schicken darf. In meiner Freude hab ich unter dem Mittagessen aus Deinem Briefe geplaudert trotz Deinem Verboth und Feuersteins bitten mich nun, Dir mit ihrem Gruß auch ihren herzlichsten Glücks­wunsch zu melden.

Mein Jakob geht nun zur Schule und der Lehrer ist mit ihm sehr zufrieden für den Anfang. Der Erfolg meines Käsevereins ist über alle Erwartung, wenigstens das wäre mir glänzend gelungen. In unsern bedeutendsten Blättern ist von der Sache die Rede, sogar in der alten Presse. Die Regierung ist auf die Sache aufmerksam geworden und hat zur Aufmunterung Preise von 500 - 250 - 200 fl auf ähnliche Vereine gesetzt. Daß unser Verein den ersten Preis bekommt ist ohne Frage und vom Ministerialrath Dr Hamm dem Obmann des Vereins ziemlich bestimmt zugesagt. Ich hab in letzter Zeit ermun­ternde Zuschriften erhalten die mich sehr freuen. Ich möchte fürs Volk arbeiten, dabei aber muß ich doch auch meiner armen mutterlosen Kinder gedenken. Ihre Zukunft liegt jetzt recht schwer auf mir. Mir nahen sich hundert theilnehmende Tröster, die es wenigstens recht gut meinen, aber für die Kinder bin nur ich und ich bin so wenig, zumal jetzt, wo mir doch noch oft die gehörige Stimmung zum rechten Schaffen fehlt. Was sagst denn Du zu der Art, wie ich mein Leben gebe? Ich komme nur langsam vorwärts weil ich alles für euch da draußen Interessante mitnehmen möchte. Jetzt be­arbeite ich meine ersten Schuljahre. Feurstein ließt Reich und Arm. Er lobt das Buch und lobt es. Auch von ändern hörte ichs loben, von Dir aber kein Wort. Ich weiß nicht, ob Du es vergaßest, oder nichts hörtest, oder das Gehörte nicht schreiben magst.

In dem Nachbardorf Reute, wo Du eine Prozession mitmach­test, entsteht jetzt auch ein Kasino. Ich war gestern dort bei der Statutenberathung und hatte Abends hier in der Garns den Herrn allerlei lustiges zu melden. Ein pensionierter Inge­nieur von Wien, Freund Bergmanns und Vetter meiner Frau ist eins der hervorragendsten Mitglieder. Bei Bergmann fällt mir eben ein, daß nun seine Landskunde Vorarlbergs, eine sehr fleißige Arbeit, erschienen ist. Wollte ich einmal ein Reisehandbuch verfassen so würde sie mir treffliche Dienste leisten.

Hier schneit es, daß man kaum von einem Hause zum Än­dern sieht. Die Meinen in Hopfreben müssen schon 1 1/2 Fuß Schnee haben. Da wirds denn wol enge genug im kleinen Hüttchen ohne mich. Jakob kann Gott danken, daß er in Schoppernau beim Gottle bleiben darf. Mariann ist auch in Hopfreben bei der Mutter und den Kin­dern. Ich möchte nicht dort sein, beschäftigungslos, wo ich mit dem Wible die schönsten Stunden verlebte, obwol es mich auch fast hart ankam, das Mädchen alein hinzulassen. Es hat einen Ballen Bücher mit, die es dort mit seinem nahe­wohnenden Vater und seiner Jüngern Schwester lesen will. Die beiden Mädchen, strenge gehaltene Stiefkinder, haben stets im Lesen gelehnter Bücher ihren Trost gefunden. Schon mein Wible machte ihnen so manche Freude mit meinen Büchern und Mariann war ihm besonders lieb. Es ward sogar zuweilen ihre Fürsprecherin bei seiner strengen altern Schwe­ster, Mariannes Stiefmutter. Nun wirds den Kindern belohnt. Das ungewöhnlich kleine aber an Leib und Seele gesunde Mädchen ist zu allem willig und geschickt. Als im Sommer ich und Diakon Hirzel von Zürich nach Au giengen ist es uns begegnet und wol sein ausdrucksvolles Gesicht auch hat ihn zu der begeisterten Schilderung der Wälderinnen begeistert. Sie ist noch nicht ganz 22 Jahre alt, aber zuweilen ungemein ernst. Fast ob ein tiefes schweres Leid auf ihr liege. Wer ihre Vergangenheit kennt: eine freudlose, kann sich das erklären, ein anderer fände sie abstossend und stolz, mir ist sie eine liebe Freundin und es machte mich sehr unglücklich, wenn es meinen frommen Gegnern gelänge, ihre Altern so gegen mich aufzureden, daß man sie heimberufen wollte. Gethan wird dazu alles Mögliche, ich hoffe jedoch daß es nichts nütze. Deinen Gruß will ich ausrichten, so bald es mir mög­lich ist.

Dem Kurat Herzog in Rehmen hat meine Zugharmonika so gut gefallen daß er nun auch ein ähnliches oder noch grö­ßeres Instrument von Leipzig will. Er hat aber für die Sache mehr Neigung als Talent und bittet daher Freund Lippold den wackern Tongünstler [sie] um seinen Rath. Wäre denn nicht eine Beschreibung der Werke zu bekommen? Herzog möchte wol eine Fisharmonika, wenns nicht zu schwer zu lernen wäre. Lippold würde dem guten, unter seinen stren­gen Amtsbrüdern vereinsamt stehenden Mann mit einer bal­digen Antwort an mich eine große Freude machen. Eben las ich eine Schrift von dem erwähnten Vetter Ingenieur, die mich am guten Verstande dieses Kasino-Mannes ernstlich zweifeln läßt. Wenns irgend möglich ist, sollst Du 1 Exemplar erhalten als Perle der Kasino-Reden.

Von Grottendieck erhielt ich vor 14 Tagen die Meldung, daß die von mir gewünschten 6 Exemplare der Übersetzung an Hirzel abgegangen seien, der sie mir zusenden werde. Zwei Exemplare nun sind für Dich und Hirzel, die ändern 4 weiß ich sonst zu verwenden.

Grüß mir herzlich alle, die meiner noch gedenken, besonders Deine Frau, Karl, das Hinterhaus, den Klub, Hirzel und alle. Schreib mir doch recht bald wieder und auch etwas von Reich und arm.

Und nun lebe recht wol, mein lieber guter verehrter unver­geßlicher Herr Professor und vergiß nicht

Deinen armen Freund Franz M Felder

Keine