AN RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
688
18. März 1869

Liebster Freund!

Es hat mich recht gefreut, endlich wieder einmal einen Brief von Dir zu Gesichte zu bekommen. Hätte ich nicht jeden Tag die Entscheidung von Wien erwartet, so würde ich nicht so lange geschwiegen haben. Leider kann ich noch immer nichts Bestimmtes melden. In Wien soll mir eine namhafte Summe bestimmt worden sein; nun aber habe dann ein Zweigverein gegen mich geltend gemacht, daß ich ja noch kein Drama schrieb. Bergmann sagt, daß das von vielen Unterstützten gesagt werden könnte. Er nennt das nur eine kleine Verzöge­rung und hofft in Kurzem Erfreuliches berichten zu können. Bergmann und auch andere mir weniger Bekannte aus Wien schrieben mir schon von der günstigen Aufnahme, die Reich und Arm dort findet. Eine Dame schrieb an Apotheker Koff­ler in Dornbirn, daß Halm u Grillparzer für das Buch und seinen Verfasser thätig seien, Georg Scherer in Stuttgart hat mir eine Besprechung in der A. allgemeinen Zeitung verspro­chen, wenn nur Hirzel so gut wäre, ihm ein Exemplar zu schicken. Dr G Seh Langestrasse No. 4 Stuttgart. Unsere Landsblätter haben bereits Besprechungen des Buchs gebracht, die Landeszeitung von R. Bir, die Feldkirchnerin von Elsensohn. Beide sind sehr günstig, ohne jedoch aufs Einzelne einzugehen, und ich wüßte Dir nicht viel daraus zu schreiben. Heinrich Hirzels Besprechung, von der Du schreibst, hab ich noch gar nicht gesehen. Ich hoffe doch, daß er sie mir zukommen lasse.

Die holländischen Bände hab ich erhalten und mehr darin gelesen als Du wol glauben wirst. Es ist ja fast alles deutsch und mir macht es ein eigenes Vergnügen, meine Gedanken in diesem Kleide zu sehen. Du solltest uns einmal an dem Holländisch herumkauen sehen wie am Häring dem ich noch ein treues Andenken bewahre. Mit der Bevölkerung lebe ich im schönsten Frieden. Der Kampf, den ich und Rüscher hatten, tobt im ganzen Vorarlberg, nur der Bregenzerwald ist ziem­lich ruhig und ich gewinne mehr und mehr Freundschaft und Liebe. In Bezau bin ich wie daheim und halte mich häufig dort auf. Daß ich nicht müssig bin, wirst Du mir glauben. Besonders thätig bin ich für den dortigen Leseverein und die Landesbibliothek. Ich wurde mit Feurstein und Dr. Greber und noch Zweien zur Leitung gewählt. Vor 14 Tagen hielt ich die erste längere Rede über das Lesen, besonders über die Art, sg. schöne Werke mit Nutzen zu genießen. Ich fand ge­nug Beifall und sogar der Doktortitel wurde mir beigelegt. Auch in anderer Weise suchte ich fürs Gemeinwohl thätig zu sein. In Bezau könnte man gleich aufs ganze Ländchen wir­ken und ich möchte schon dort sein. Jetzt brauche ich Un­ruhe, Leben und das stille Schoppernau hat zuweilen für mich fast etwas Schauerliches. Ich habe mir schon zuweilen die Kämpfe und Aufregungen des letzten Winters gewünscht um mir selber darin zu entfliehen. Nur im Streben fürs Gemein­wohl finde ich Erholung und wenn ich davon ausruhen will, setze ich mich wieder an den Schreibtisch und erzähle „aus meinem Leben" oder „meine Dorfgeschichte". Welcher Titel gefiele dir wohl besser? Ich muß jetzt nämlich schon an den Titel denken, denn der erste Band, mit meiner Verehelichung abschließend ist fertig. Einstweilen denke ich auch nicht mehr weiter zu arbeiten. Die Abschrift besorgte ein von Feurstein gedungener Schreiber. Letzten Montag schickte ich die Arbeit, 79 Bogen, an meinen Schwager in Bludenz. Er wird sie bald durchgesehen haben und dann sollst Du sie erhalten. Ich bin begierig, was Du zum Ganzen sagst und ob Du es zur Ver­öffentlichung geeignet findest. Ich bin hierüber noch durch­aus nicht eins mit mir selbst. Wer seine Erlebnisse und die Wirkungen derselben dem Volke geben will, der sollte doch wahr sein oder gar nicht schreiben. Ich bin diesem Grund­satze rücksichtslos treu geblieben. Doch heute keine Vorrede, ich werde später eine Eigene zu dem Buche schreiben wenn einmal dessen Veröffentlichung beschlossen sein sollte. Also für jetzt nichts mehr hievon.

Wir haben endlich noch ein Bischen Schnee bekommen, so daß wenigstens noch die allernötigste Winterarbeit mit vieler Mühe und Gefahr verrichtet werden kann. Ich selbst quäle mich selten mit solchen Arbeiten, obwol ich die Taglöhner schwer aufbringe. Ich hoffte bisher, meine Einnahmen wür­den sich einmal verbessern. Nothwendig wärs. Doch ich will nicht klagen.

Vielleicht ist dir lieb, die Photografie von Au, den Schauplatz von Reich und Arm zu erhalten. Ich schicke sie Dir mit der Bitte, unser Thal ja im Andenken zu behalten. Du bist hier keineswegs vergessen. Feurstein, seine Frau, Dr Greber, die Rößlewirthin, der Schreiner und noch viele lassen Dich grü­ßen. Kurat Herzog bittet recht sehr endlich um Auskunft. Grüße mir Deine Frau, die Kinder, Emmi Hedwig Rudolf u Hugo, den Klub und wer sich etwa sonst noch um mich kümmert.

Schreibe auch gelegenheitlich wieder ein paar Zeilen an Deinen einsamen eingeschneiten Freund

F M Felder.

Keine