VON FRANZ MICHAEL FELDER AUS LEIPZIG AN ANNA KATHARINA FELDER IN SCHOPPERNAU

lfndenr: 
565
20. Juli 1868

Liebes Wible!

Ich bin immer noch in Leipzig und immer noch gern, wie furcht­bar auch hier die Hitze sein mag. Morgen verreise ich, aber nicht heim, sondern als guter Katholik mache ich eine Wallfahrt gen Westen - nach Weimar zu. Köhler, den Du in meinem Album fin­dest hat mich eingeladen. Bin ich wieder von da zurück und fallt nichts besonderes ein, so bin ich Freitags um 8 Uhr früh schon in Reichenbach 2 Uhr Eger 6 Uhr in Regensburg, 10 Uhr Abends in München. Samstags gehts gen Lindau und am Montag oder Dienstag bin ich Abends daheim bei Dir und den Unsrigen. Wärst Du oder wäre der Uhrenmacher am Samstag in Lindau so könntet ihr um 11 Uhr Nachts mich vom Bahnhof holen, doch ich höre, daß ihr mit Heuen noch nicht weit seid. Wartet nur bis ich komme, dann muß es gehen. Auch hieher ist mir das schöne Wetter nachgekommen, so daß ich ausgehen und ausfahren konnte. Gestern war ich mit Thieme, der mich von früh 5 bis Abends zehn Uhr mit Aufmerksamkeiten erfreute, wie es nur der reiche liebenswürdige Leipziger kann. Heute war ich bei Keil. Erst klopfte ich im Gartenlaubenschloß mit einem Schreiben an. Als Antwort kam ein Herein zurück und nun, drei Tage später bin ich dort gewesen. Keil selbst war nicht da, den treffe ich also erst vor der Abreise und er muß und wird ein entscheidendes Wort spre­chen.

Hoffentlich läßt sich wieder ein ziemlich gutes Verhältniß her­stellen. Ich werde mich um so mehr bemühen, da es mit der Grazer Gartenlaube bald alle sein dürfte, sie auch schlecht und gar nicht bezahlt. Mein Patriotismus hat auch seine Gränzen.

Von Groten Dick dem Übersetzer hab ich noch immer keine Antwort. Er scheint nicht daheim zu sein, wie ich und alle berühmten Leute. Nur Hirzel ist seit 10 Tagen da. Sonnabends speißte der ganze Club bei Dr Flügel. Nur Dr Meißner, der Artzt war nicht mit, denn der ist jetzt, seit die Blattern herrschen, ein gesuchter Mann. Er hat auch uns den Antrag gemacht uns wie viele Erwachsene zu impfen. Gestorben sind allerdings nur 40 Personen, was für Leipzig nicht viel heißt, aber vielen wird es bei der Hitze doch unheimlich.

Um mich ängstige Dich nicht. Ich bin, wenns geht, wie ich rechne am Dienstag Abends daheim und sehe nach, wie ihr mit dem Saufleisch dran seid und wie unterdessen der Martinus gewachsen ist. Das Passionsspiel wandert herum, aber das Kohlerle soll nicht sorgen. Es ist in Händen die mit Büchern umzugehen wissen, wie mit Heiligenschmalz. Ich bring es wol noch nicht mit da meine Tasche sonst voll werden dürfte. Wenn ich am Dienstag noch nicht komm, so kommt bald ein Brief und meldet etwas, das ich jetzt selbst nicht weiß, nämlich einen Grund zur Verzögerung. Hildebrand will mich noch da behalten sonst war ich schon daheim. Wenns am besten geht, sollte man aufhören. Ich wills jetzt auch und schließen. Es grüßt Dich die Mutter und alle Dein

Franz Michel Felder Die Beilage an den Uhrenmacher

 

Nachschrift

Das vom Bothen geforderte Rezepisse hab ich unterzeichnet an Ort und Stelle abgegeben Laß es ihm gleich sagen daß er keine Sorgen machen.

Die Motette hab ich eben besucht. Es war wieder was Göttliches, Wenn Du mir schreibst, so thu es gleich, Später weiß ich nicht wo ich bin. Melde auch, wie es dem Uhrenmacher gieng wenn der keine eigene Tinte hat oder schenk ihm lieber einen Bogen zum Schreiben da er doch nicht heuen muß.

Wenn mir jemand nachfragt so laß mir den grüßen.Vom Schnei­der erwarte ich einen Brief. Es ist hier sehr heiß und wenns bei euch so war, müßte das Heu bald dürr werden.

Also Morgen gehts wieder über die Gränze. Ich werde davon melden und dan auch die Zeit meiner Rückkehr angeben können. Hirzel ist wieder da.

Lebe wol

Dein

Franz M Felder

Keine