VON FRANZ XAVER JOCHUM AUS WIEN

lfndenr: 
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26. März 1866

Theurer Freund!

Freudig überraschte mich bei meinem Eintritte in mein Zim­mer heute Mittags ein Brief mit wohlbekannten Schriftzügen. Endlich einmal, dachte ich, hat Dir der Faulpeltz wieder geschrieben. Schnell erbrach ich das ausnahmsweise gut erhaltene Sieglaksiegel und fieng an zu lesen. Die ersten Zei­len befremdeten mich ein wenig, da Du darin meinen u. Dei­nen Correspondenz-Fleißü auf gleiche Stuffe stellst. Ist er mir nicht auf 2 Briefe Antwort schuldig, waren meine ersten Gedanken. Doch bei einigem Überlegen, fand ich es wahr­scheinlich, daß Du recht haben dürftest. Ich übergab nämlich vor Neujahr dem hier lebenden Felder ein Paar Briefchen zur Beförderung an die im Bregenzerwalde lebenden Felder's; Unlängst bekam ich vom geistl. Felder einen Gruß mit dem Beisatze, ich möchte ihm doch auch wieder einmal schreiben. Er scheint somit den letzten Brief nicht erhalten zu haben, u. so dürfte denn auch sein Kamerad das gleiche Loos gehabt haben. Deßhalb wiederhole ich hier nochmals meinen Glück­wunsch zum laufenden Jahre. Doch ich kann mich kurz faßen, da Du ungeachtet des Nichterhaltens meines früheren gesund, theilweise in der Hoffnung in Deinem neuerdings verschönerten Schreibzimmer sitzest u. auch bald in den Besitz, wie ich hoffe, einer bedeutenden Summe v. Silberlin­gen gelangen wirst. Ich freue mich sehr darauf, das Büchlein, oder wahrscheinlich das Buch zu lesen, das mir schon theil­weise nicht unbekannt ist. Daß Dr Hildebrand mit Dir in Cor­respondenz steht, freut mich um so mehr, da ich ihn schon längst unter den Todten glaubte. In den Zeitungen war, wie Du wissen wirst, öfters von einem Selbstmorde eines Hilde­brand die Rede, der also ein anderer war. Es freut mich, ihn umsonst bedauert zu haben.

Also Dr Dünser hat geheiratet, wen denn? Ist er beliebt u. hat man auf ihn Vertrauen? Auch die Isabell ist nicht mehr Jung­frau? In wessen Armen ruht sie?

Doch vor all diesen Fragen muß ich Dir etwas über meine Verhältniße abermals berichten, da Du nichts aus dem nicht erhaltenen Briefe wissen kannst.

Einige Unpäßlichkeiten vor Monaten abgerechnet war ich immer gesund. Im Sommer war ich größtentheils in Baden, einem Städtchen ein Paar Meilen von Wien, bei Regierungs­rath Engerth, dessen Porträt Du in einem oder dem ändern Blatte finden wirst, wenn Du nachschlägst, er ist Direktor der Staatsbahn, u. wegen technischen Erfindungen bekannt, ein sehr lieber Mann. Ich habe seinen Sohn auf juridische Prüf­fungen vorbereitet.

Seit Oktober bin ich wieder in Wien, wo Du Deinen Brief hin addressirtest.

Bis Mai habe ich Hoffnung in eine Advokaturskanzlei zu kom­men. Gegenwärtig habe ich die meiste Zeit für mich, eine ausgezeichnet gute Kost, aber wenig, meistens gar kein Geld; in meinem Quartier ist schreckliche Unordnung, die Frau schon lange krank, wie es scheint an Wassersucht, während eines Jahres starben 3 Kinder, u. ein Rückstand aus uralten Zeiten, den man in der angegebenen Lage schon längst gern gehabt hätte, feßelt mich an Ort u. Stelle. So paart sich zar­tes mit dem Harten, u. nach Schiller giebt das einen guten Klang.

Von Politik kannst Du wahrscheinlich aus den Zeitungen so viel erfahren als ich; an maßgebenden Kreisen in Wien ist man über die österr. preusische Geschichte so wenig im Rei­nen als die Zeitungen. Das jetzige Ministerium ist aber fest entschloßen nicht nachzugeben, das weiß ich aus sicherster Quelle.

Wenn Du also die Sonderlinge fertig hast, so schreibe mir wieder einmal. Wie geht es denn meiner Mutter? den Ober­hausern, Sieberle ect. Wie ist der Prozeß von der Schmied­schen Familie in Rehmen wegen der Erbschaft ausgegangen? Hat Sanderell den Stubenrauch bekommen? Wo ist der frü­here Pfarrer v. Lech? was macht sein Buch? was Jenny? was die Schröcker-Kirche? ect. Du mußt bedenken, daß ich aus meiner Heimat so zu sagen gar nichts erfahre als von Dir, u. mir deßhalb meine Neugirde verzeihen. In Betreff der Stückleferger-Geschichte habe ich schließlich so schlechte Aussichten bekommen, daß ich einsah, daß sich kaum etwas mit Erfolg würde machen lassen. Die hier gut bezahlte Arbeit wird bei uns nicht gemacht u. ist sehr müh­sam, so daß sich auch hier die besten Arbeiterinnen kaum 4 bis 5 Sechser täglich zu verdienen im Stande sind. Auf Eins will ich Dich noch aufmerksam machen, seit Neujahr kann man von Dir zu mir 3mal schreiben, bis so viel Porto aufgeht, als früher einmal. Das wollen wir bedenken. Ich habe schon vor weiß Gott wie langer Zeit versprochen eine 3. Fotografie zu schicken, für's Thresele oder Mutter oder wer sie haben will u. noch nicht hat, hier ist sie endlich. Ich bitte Dich sie mit vielen Grüßen zu übergeben. Ferner lasse ich freundlichst grüßen Dein Wible (wohl auch theilweise in guter Hoffnung), Mutter u. Goga, dann Sieberies, Oberhausers Wible's Geschwister, Rößlewirth's Dünser ect. Der Mutter zu schreiben finde ich überflüssig, weil den Brief statt ihr nur andere Leute lesen würden, anstattdessen lasse ich sie recht herzlich grüßen. Dem Thresele lasse ich auch mein Beileid ausdrücken, endlich kommt's an Dich selbst u. es sollen sich alle Diese Grüße auch auf Dich beziehen, damit ich sie nicht noch einmal schreiben muß, wofür Du mir am Ende vielleicht nicht einmal dankbar wärest. Wer Dir diesen Brief mit Wissen u. Willen geschrieben, magst Du aus der beiliegenden Fotografie entnehmen.

Keine