VON FRANZ XAVER JOCHUM AUS WIEN

lfndenr: 
305
14. März 1867

Lieber Freund!

Du wirst wohl nicht recht zufrieden mit mir sein, daß ich solange kein Lebenszeichen von mir gebe, da ich doch trotz meiner consequenten Läßigkeit im Schreiben doch wenig­stens jährlich um Neujahr herum sicher schrieb u. da ich Dir schon lange eine Antwort schuldig bin.

Auch heuer hätte ich sicher keine Ausnahme gemacht, wenn ich nicht verhindert worden wäre. Als ich von Feuerstein in Bezau die Aufträge zur Übersendung von Lettern und Papier erhielt, war ich eben im Begriffe einen Brief an Dich mit einer längern Kritik des „Rufes" zu schreiben. Ich besorgte nun das mir aufgetragene, schrieb auch ein Paar Zei­len an Feuerstein und wurde kurz nachher- krank. Eine Brust­fellentzündung nöthigte mich über einen Monat das Bett zu hüten, u. so blieb der bereits angefangene Brief sammt der Kritik liegen. Diese war in manchen Beziehungen zimlich herb angefangen und fast gänzlich gegen die 2 letzten Blätter gerichtet. Ich habe sie Dir hier nicht beigelegt, weil ich sie erstens noch nicht fertig gemacht habe, u. zweitens das zweite Heft einen etwas mäßigern Ton dem Romanismus gegenüber anzuschlagen scheint. Wenn es Dich interessiren sollte, was ich im Eifer gegen die kolosalen Anschuldigungen der alten Römer schrieb, werde ich es noch fertig machen u. überschicken.

Offen gesagt kann ich auch mit dem zweiten Heftchen nicht ganz übereinstimmen, wenn auch das Eigenthum nicht mehr so an die Familie gekettet ist, daß Arbeitervereine keinen ändern Zweck haben könnten als reiche Familien bei Putz u. Stingel auszurotten, da ich glaube, daß der Romanismus durch die Art u. Weise des Einführens durch die rasche Oktroirung mehr geschadet hat, als durch die innere Lehre. Ich glaube man soll immer von dem bestehenden ausgehen, wenn man an bürgerlichen Gesetzen ändern will u. nicht umstürzen. Und ich bin überzeugt, wenn die im „Ruf ausge­sprochenen Grundsätze sollten realisirt werden, ich nehme an erst bis in 5 Jahren, so hätte die Welt noch nie eine heillosere Verwirrung gesehen, als uns die nächste Zukunft bringen würde. Wir sind keine Germanen mehr, die nichts thun, als rauben und jagen, und Weiber kaufen u. Mütter verkaufen; ich für meine Person mag auch keiner sein. Auch dann wenn ich mit jemanden im Prozes wäre, würde ich ihre Gerichtsbar­keit nicht herwünschen, weil sie nach meiner Ansicht nie eine hatten, die diesen Namen verdient. Faustrecht mit und ohne Eideshelfer, das heißt die unter diesem Namen helfen drein­schlagen, und im Strafverfahren die Folter, sind lauter Sachen, die mir weniger behagen, als die römischen Institutionen. Doch ich habe nicht von diesem reden wollen, und will nur noch vom 2ten Hefte ein Paar Worte sagen, ehe ich nach mei­nem Plane fortfahre. Offen gesagt, ist außerdem, was sich aus obigem ergibt, nach meiner Ansicht noch ein anderer Vor­wurf zu machen. Es fehlt, so glaube ich, die Einheit; das ganze dürfte kaum aus Einem einzigen klaren Bilde von Gedanken hervorgegangen sein, es fehlt, so glaube ich, sogar nicht an Widersprüchen. Es kömmt mir vor wie eine blose Blumenlese, worunter auch solche sind die mir nicht einmal so ganz recht gefallen. Und trotzdem ist das Heftchen sehr zu loben, nicht sosehr seines Inhaltes wegen, denn es biethet einem Juristen blutwenig Neues, wohl aber deßhalb, weil es ein Weg ist wie das große Publikum zu politischer Reife geführt den alten Römern hierin ähnlicher gemacht wird.

Diese Ansichten sind alle meine höchsteigenen, weil ich mit Niemand umgehe, mit denen ich darüber sprechen kann. Daß das Römische Recht - genug von dem Thema, sonst komme ich heute wieder zu keinem Schluße u. somit der Brief wieder nicht auf die Post.

Also der Joh. Jos. Felder ist wieder zu Hause; so hast Du wie­der einen alten Jugendfreund in Deiner Nähe, u. die Resel eine Abendunterhaltung; so geht es eben, wenn das Eigen­thum nicht unlöslich ist.

Bis Du diesen Brief in die Hände bekommst, werden auch bereits die Sonderlinge aus der Presse hervorgegangen sein, ich hoffe daß sie recht günstig werden beurtheilt werden u. alle Erwartungen noch übertreffen; ich freue mich schon sie zu lesen, umso mehr, da ich schon einiges im Entstehen davon kennen gelernt habe. Leider bekomme ich sehr selten ein ausländisches Blatt in die Hand und werde daher auch die Kritiken größtenteils nicht zu sehen bekommen. Überhaupt komme ich zu Lectüren, die mich mehr interessiren würden, nur sehr wenig, da alle Zeit, die mir bleibt, wenn ich für mei­nen Cadaver nothdürftig sorgen will, der Erholung zu widmen ist, falls ich meine überhaupt nicht zu starke Gesundheit nicht ruiniren will. Die Jurispudenz ist wahrhaftig in gegenwärtiger Zeit für arme Anfänger eine miserable Gönnerin. Für die Gegenwart bewahrt sie einen kaum vor dem Hungertode und für die Zukunft stellt sie einem bei uns ein in Aussicht.

Diese Weltwende dürfte in der Theorie schöner sein, als sie manchem in der Praxis erscheint.

Ist der Feuerstein, von dem Du für den Landtag so viel erwar­tetest derselbe, welcher mich um Überschickung von Letter u. Papier angieng? Von diesem kannst Du statt meiner pr Gelegenheit 50 X einkassiren, die ich ä conto für das Papier zahlte; die zwei Gulden, die ich bei Bestellung der Lettern auslegte, bekam ich zurück nachdem das Geld eingegangen war, da sie nicht abgerechnet worden waren. Ich wäre auch begierig zu wissen, ob er mit dem angekommenen zufrieden ist und wie hoch der Frachtpreis, wie schwer die Waare war, und wie lange die Zeit der Fracht dauerte, damit ich einen genauen Maaßstab hätte, für allfällige spätere Sendungen. Eine solche könntest Du mir in späteren Zeiten vielleicht besorgen; es möchte nämlich hier ein Herr gerne Scheren­pelze haben, wenn er eine hinreichende Anzahl bekäme, Du weißt, wir haben auch schon davon gesprochen, daß diese Thierchen sehr feine Peltze haben, die zur Fütterung wohl verwendet werden könnten. Dieser ist derselben Ansicht. Wenn Du daher glaubst, durch Buben eine hübsche Anzahl abziehen lassen u. mir zuschicken zu können, so schreibe es mir; schreibe mir auch im bejahenden Falle, was so durch­schnittlich für das Stück etwa zu zahlen wäre, damit ich mich weiter besprechen kann. Wenn dann dieser gefütterte Rock gefällt u. man alle Juristen zum Teufel jagt, oder sie doch ohne Einkommen vielleicht Einkommensteuer sollten zahlen müssen, so wirft dann vielleicht der Scherenpeltzhandel wenigstens die Einkommensteuer ab - in der Zeit der Welt­wende.

In unserer Kanzlei geht gegenwärtig das Geschäft sehr schlecht, u. der Herr Prinzipal ist öfters übler Laune, obwohl er sich schon in frühern Zeiten zum Zurücklegen verdient hat, überhaupt ist in Wien gegenwärtig eine Zeit allgemeiner Geschäftsstockung u. glücklich der der sich das Kapital selbst kann Kapital werfen lassen.

Genug für diesmal, ich werde wenn nichts dazwischen kommt, wie dieses Mal, nicht mehr so lange auf einen Brief warten lassen. Ich bin wieder gesund, wie vor meiner Krank­heit, bitte meiner Mutter u. dem Franzosen meine Grüße aus­zurichten mit dem Bemerken, daß ich ihnen auch bald einmal schreiben werde, letzterer soll mir den Resel nicht anrühren.

Dich, die Deinigen  u.  meine Bekannten vielmals grüßend hofft auf baldige Nachricht Dein Freund

Franz Jochum Addressire in meine Wohnung:

Wien, Rossau, Servitengasse Nr. 14, l Stock. Thür 11.

Keine