VON HEDWIG GASSNER AUS BLUDENZ

lfndenr: 
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1. Dezember 1868

Mich schreckt weder der dumme Zweifel - über den unbestimmten Empfang, noch einen möglichen Verstoß gegen Frau Etiquette zurück, Ihre stille Häuslichkeit aufzusuchen! Begeisterung kennt kein warum: sie durchbricht jede Schrancke und gibt Muth den Gedanken zur That werden zu lassen. Ich habe: „Reich und Arm" soeben vollendet. O das war herrlich Herr Felder! Ich fand so viel Klänge in diesem Ideenspiel, die mich unendlich harmonisch berührten. Wir armen Menschenkinder haben ja hie und da auch schöne Phantasiegebilde, doch nur den höher Be­günstigten ist die Macht gegeben, sie zur Freude und zum Genuß Anderer zu verwerthen!

O Herr Felder was möchte ich dafür bieten - und wie lächerlich, ich wage es zu kommen mit einem einfachen Dank auf den Lip­pen.

Aber ein tiefgefühlter Dank aus warmer Menschenbrust, ist er nicht ein Gebet für das Wohl desjenigen, der diese Empfindung wach ruft? Sonderbarer Mensch, der aus so einfachen Vorkommnißen des Lebens es versteht, eine derartige Schöpfung in's Leben zu rufen. Der Gedanke, alle diese Ideen sind Kinder Ihrer eigenen Überzeugung - sind mit Ihnen groß gewachsen - und nicht in der Schule eingeimpft worden; das ist's, was mir Alles bedeutungsvoll macht, was mich zum Entzücken hinreißt! Doch nein - diese Sprache nicht, ich wollte Ihnen so Vieles sagen, doch zu Allem fehlt mir das passende Kleidchen, und ich komme mir so bettelarm vor, einem solchen Manne gegenüber.

Doktor Scherer aus Stuttgart ist mein Freund, seine Schilderung ließ mich erkennen, daß Sie ihm eine warme Sympathie abgerungen, als er im verflossenen Herbst das Vergnügen hatte, Sie kennen zu lernen. Auch er ist ein bevorzugter Sohn der Musen, sein Urtheil kein alltägliches, es freute mich deßhalb, daß er ein solches Lichtbild in unsern Bergen fand, das wird ihm unser Ländchen noch reizender machen.

Ich habe ein Kleinod, in einem liebenswürdigen Schwesterchen, das meine Begeisterung für Sie theilt, das mich das Organ sein läßt, durch welches sie Ihnen tausend Dank entgegen sendet. Zum Abschied reichen Sie mir die Hand-geehrter Herr Felder-es soll mir ein Beweis sein, daß Sie dem kecken Eindringlinge nicht zürnen, daß Sie ihm im Gegentheil die Erlaubniß geben, vielleicht wieder zu kommen, wenn mir etwas unklar sein sollte, oder mich ein Zweifel quält.

Daß Sie noch recht - recht lange zur Freude der Menschheit - Ihre geistige Thatkraft opfern - das sei das tägliche Gebet

Ihrer Sie hochverehrenden Hedwig Gassner

 

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