VON JOHANN JOSEF FELDER AUS BORDEAUX

lfndenr: 
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29. Juli 1861

Werther Freund!

Meinem Versprechen getreu zu sein finde ich mich ver­pflichtet, Dir ein paar Zeilen zu schreiben u. Dier zu sagen daß [sich] von heute an meine Adresse geendert hatt, ich verlaße zwar nicht Bordeaux aber ich beziehe ein anderes Quartier.

Dein Schreiben vom 15 Aprill hatt mir große Freude gemacht, besonders, als ich vernahm daß Du den süsen Schlummer des Ehestandes so glücklich erworben hast, dazu lieber Freund wünsche ich Dir alles Glück, was nur einem Hausvatter nöthig ist; Sage Dier aber daß es durchaus unnütz ist, mir die Schö­nen Seiten des Ehestandes zu schilder[n], indem ich nie das glück haben kann, im Häuslichen Fammilienleben Ruhe zu finden. Warum werde ich Dier später anvertrauen. Ich bitte Dich schreibe mir das nächste mahl etwas von meiner lieben Schwester, denn sie ist der Einzige gegenstand der mich oft in Dunkles nachsinnen versetzt, u. ohne dieselbe würde ich unsere Berge ganz zu vergessen suchen. Sage meiner Schwe­ster es würde mir sehr Freude machen wann Sie mir nur ein paar Zeilen schreiben würde. Warum ich so wenige mahl schreibe will ich Dir aufrichtig erklären: Ich suche alle mög­lichen Zerstreuungen, um mich den Erinnerungen an mein Heimathland los zu werden, indem ich sehe, daß mir ein sehr kalter Willkomm in Aussicht steht. Grüße mir auch meinen Vatter u. wann er sich wundert warum ich Ihm noch nicht geschriben habe, so kannst Du Ihm sagen, daß ich auf die Ansichten die er von mier hatt u. aus sicherer Quelle geschöpft glaubt, mich nicht rechtfertigen will, denn mein Ehrgeitz ist größer als meine Kraft, unwahre Verdächtigungen zu ertragen oder zu bekämpfen, u. darum werde ich das tiefste stillschweigen behalten. Grüße mier Deine Mutter Thausendmahl. Es grüßt u. Umarmt Dich u. Deine Frau in der weiten Ferne Ein wahrer Gönner

Seppel

Meine Adresse Monsieur Felder horloger rue des rempartes Nr. 59 Bordeaux France

Keine