VON JOSEF NATTER AUS UNTERÄGERI/SCHWEIZ

lfndenr: 
417
27. September 1867

Lieber Freund!

Du kannst Dir denken, wie freudig ich überrascht wurde, als ich Deinen Brief erhielt, da ich Dich noch lange in Leipzig oder sonst wo in Deutschland dachte u. mir zuweilen gar der Gedanke kam, Du könntest für immer draußen bleiben. Ich hätte es Dir wahrlich nicht verargt, so sehr sich auch meine Selbstsucht dagegen wehrte. Daß es Dir dort gut gehen werde, war zu erwarten, u. ist auch nicht mehr als billig. Doch noch mehr als Dein Glück, das doch nur einzeln ist, freute mich die Nachricht, daß die Wälder noch in der 11. Stunde zur Besinnung gekommen, u. das letzte Rettungsmittel noch ergriffen haben, das ihnen sonst vielleicht lange nicht mehr gebothen worden wäre.

Ach, wie oft schon habe ich beinahe geweint, wenn ich an die Mühe u. Arbeit dachte, die Du u. andere Menschenfreunde mit ihnen gehabt haben, die dennoch an der Regungslosigkeit der Wälder u. an der unerschöpflichen Dummheit u. Raserei der Pfaffen zu Grunde gehen sollte. Doch ich sehe es nun aufs neue ein, daß etwas wahrhaft Gutes denn doch nicht so leicht untergeht, oder eigentlich garnie, da es nur eine Zeit lang verdrängt werden kann, u. später mit neuer Kraft durchzu­dringen. Wozu sollte denn noch der Glaube an einen Gott dienen, u. wodurch sollte er bei denkenden Menschen noch erhalten bleiben, wenn uns nicht die Geschichte lehrte, daß noch immer das Bessere nach u. nach über alle Hindemiße gesigt hat.

Je länger ich die Welt oder eigentlich nur unsere Erde u. ihre Bewohner, verständige u. unverständige betrachte, desto mehr befestigt sich mein Glauben an eine gütige Vorsehung, den ich eine Zeitlang fast verloren hatte. Deßwegen dürfte meine Base Mariann ruhig sein, da ja aus diesem Glauben allein schon natürlicher Weise der feste Wille entspringen muß, auch ein sittlich guter Mensch zu werden, wenn auch freilich nicht wegen Himmel u. Hölle. Das Interesse, das dieselbe für Dich hat, ist verflochten in dasjenige, welches sie für mich schon lange gezeigt hat, besonders, seit der Krieg mit dem Pfarrer ausgebrochen ist. Sie schrieb mir vor 2 Monaten einen langen Brief, woraus mich ihr Kummer um mich u. Dich beinahe lebendig ansah. Sie hatte eben auch viel von Deiner Glaubenslosigkeit u. weiß Gott was gehört, sah daß ich zu Dir hielt, wie Hanf u. Harz, u. so bekam sie eben auch Zweifel. Ich antwortete ihr sogleich, vertheidigte mich u. besonders Dich gegen alle diese Vor­würfe mit aller Beredsamkeit u. Eifer, die mir zu Gebote stan­den, u. es ist mir wirklich gelungen, sie zufrieden zu stellen. Sonst bin ich guten Humors u. gesund, nur die Arbeit geht schon bald aus, ich [werde] vielleicht bis Allerheiligen schon heimkommen, besonders, da ich für den nächsten Winter einen sehr sonderbaren Plan in petto habe, der hoffentlich Deine Billigung erhält, ohne die nichts aus demselben würde. Ich habe nämlich im Sinn, den nächsten Winter anstatt daheim an [der] Industrieschule in Zug zuzubringen, die ich bisher am Sonntage besuchte. Es sind gute Lehrer dort u. nicht viele Schüler, was die Kosten anbelangt, so komme ich eigentlich nur auf die Summe, um die ich die Kost theurer bezahlen muß, als in Schoppernau. Ich glaube auf diese Art den Winter weit nützlicher zuzubringen, als wenn ich daheim faullenze, denn Arbeiten heißt das doch nicht, wozu man keine Lust u. keinen Zwang hat. Ich werde daher nur etwa 8 Tage nach Hause kommen, um einiges zu ordnen u. dann wieder gehen.

Noch etwas, möchte ich gern, u. zwar etwas Großes in den Augen mancher. Der Strolz, mein Meister ist nämlich ein armer Teufel, u. Du weißt, wie schwer ein Geschäft ohne Kapital zu führen ist. Deßhalb stellte ich ihm gerne mein Ver­mögen zur Verfügung, wenn ich es nur realisiren könnte. Daß ich sein Assossie würde versteht sich von selbst. Du wirst dabei an meine Unbesonnenheit im Handeln u. Wandel denken, u. mit Recht, wenn nicht der Strolz ein klu­ger häuslicher u. biederer Mann wäre, dem man so etwas getrost überlassen kann. Wenn Du also irgendwo hörtest, daß ein Kapital von etwa tausend Gulden zu bekommen wäre, würde ich gern Bürgschaft leisten, mit meinem Vermögen, das wenigstens fünfzehnhundert Gulden beträgt. Es wird wohl schwer halten, allein ich möchte es doch versuchen. Doch bleibt das unter uns, bis ich heimkomme. Die Mariann grü­ßest Du mir, da ich so bald heimkomme, schreibe ich ihr nicht mehr.

Auch sonst grüße mir, wer mir nachfragt, damit Du wenig Arbeit hast.

Dein Freund Natter

Keine