VON RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
322
25. April 1867

Liebster Freund,

Heute nur in Eile ein kurz Briefchen, früh vor der Arbeit ge­schrieben. - Ich danke zunächst für Ihre Aufnahme meines Aufsatzes über Sie, ich war mir doch unsicher, ob Ihnen dieß und jenes darin nicht peinlich oder sogar schädlich sein würde, namentlich Ihren Gegnern gegenüber. Nun so ist ja alles gut oder wird noch gut werden. Ich bin zu begierig, die Verhältnisse dort selbst kennen zu lernen, obwol ich mich gerade auf diese Seite meines Besuchs nicht freue. Heute schreib ich wesentlich einer kleinen Geschäftsfrage wegen. Ich hatte Ihnen bei Hirzeln 18 Freiexemplare ausbe­dungen - er fand das „ein bischen viel" und hat Ihnen dann richtig auch nur 12 geschickt! So sind die Verleger, d. h. die großen. Ich könnte mich darüber ärgern, oder thue es viel­mehr wirklich, nicht weniger über das geringe Honorar für Sie bei 1000 Auflage; doch er wird wol noch etwas heraus­rücken, wenn die Auflage erst vergriffen ist. Indeß ist dabei doch ein glücklicher Zufall, ich meine bei den 12 Ex., daß die Exemplare die Sie von hier aus besorgt wünschten, nun hier geblieben sind, und ich habe noch gestern je eins an Gottschall, Bergmann, Dr. Lecher und Scheffel als zu besor­gen bei Hirzel notieren lassen. Wegen Scheffels aber bin ich über Ihren Ausdruck nicht klar, und das ist der eigentliche Grund meines heutigen Schreibens: ist das von Ihnen be­stimmte Ex. für Baron Seifertitz gemeint oder für Scheffel selbst? Ich hab das erstere angenommen und wollte Ihnen das möglichst rasch melden, damit in diesem für Sie doch nicht unwichtigen Punkte kein Misgriff vorfalle. ­Nun doch rasch noch einige Neuigkeiten. Zuerst eine weni­ger angenehme, daß nämlich bis jetzt die Sonderlinge nicht so stark bestellt werden als auch Hirzels erwartet haben; die Kriegsfurcht ist dran schuld, Jeder fängt zuerst bei Bücher­käufen zu sparen an.

Außerdem ist das Wichtigste mir, daß mir Hirzel sen. kürz­lich endlich so zu sagen seine Bekehrung in Betreff Ihres Werkes erklärt hat, ein Augenblick auf den ich ruhig gewartet habe, ohne ihn irgendwie hervorzurufen oder auch nur her­vorzulocken. Er sollte ganz von selbst kommen. So sagte er mir denn am Sonnabend vor Ostern von freien Stücken, er hätte gestern (am Charfreitag) ein Stück gelesen, von dem müsse er doch sagen, daß es ihn „gefangen genommen habe", es war das Stück vom Verhältniß des Winters zu den Bauern. Endlich ist der Aristokrat in die Falle gegangen und wir haben ihn, dacht ich bei mir, sagte aber ganz andere Dinge; die doch wol den Triumph nicht ganz verbargen. Es ist mir für Sie und für mich unendlich lieb, daß wir Hirzeln endlich haben, sein Urtheil ist fein und durchaus achtbar, und wen er einmal gelten läßt, der empfindet dann die lie­benswürdigsten Seiten seines Wesens, die ich selbst aufs innigste lieb habe (bei allem bittern Ärger über ihn). Kurz, dieser für mich persönlich am meisten ins Gewicht fallende Punkt ist also in Ordnung. Sie können Hirzeln als einen rechten Vertreter der norddeutschen hohen Geistesaristokra­tie ansehen, die wesentlich in dem Cultus Goethes (des Spä­teren) ihre Unterlage hat. Doch daß Sie die Bekehrung und meine Freude darüber noch schärfer ermessen können, muß ich Ihnen doch nachträglich sagen, was Hirzel vor dem Druck einmal sagte, nachdem er sich einmal ein gut Stück in den 1. Band hineingelesen hatte: „Ich befinde mich nicht wohl in der Gesellschaft." Er hats wahrscheinlich seitdem nicht wie­der angesehen.

Seit meinem letzten Briefe hab ich übrigens zweimal wieder über Sie Vortrag gehalten und von Ihnen vorgelesen, am Montag vor acht Tagen hier in der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Sprache und Alterthümer (ge­gründet von Gottsched), deren Mitglied ich bin - Wirkung glänzend - und vorgestern in Altenburg in einer kleinen Gesellschaft aus höhern Ständen, wo bei meinem Erscheinen die Rede bald auf Sie kam, und ich hatte aufs Gerathewohl ein paar Correcturbogen von Ihnen eingesteckt - Wirkung glänzend, Damen und Herren gleich entzückt. Meine Frau scherzt schon länger, ich könnte und sollte auf Sie reisen in Deutschland, wie es Vorleser machen, und vorgestern hab ich unwillkürlich dazu den Anfang gemacht. Mir wärs recht, wenn ich könnte, mir wärs lieber als die Wörterbuchearbeit, wenigstens so zur Abwechslung.

Aber ich muß zur Wörterbuchsarbeit. Mit Quellmalz will ich nächstens einmal verhandeln wegen Ihrer Schuld und sonst, möchte aber freilich dazu gern genau wissen, welche Blätter Sie behalten wollen.

Herzlichen Dank für die Bildchen aus vorigem Briefe und für die Gedichte im letzten nebst dem liebenswürdigen Gruß Ihres Wibli. Ich und die Meinigen grüßen aufs herzlichste zurück, es verlangt mich immer mehr danach, auch die lieben Ihrigen von Angesicht kennen zu lernen, obwol wir uns ge­genseitig anfangs wol etwas spanisch vorkommen werden. Wenn nur der Krieg nicht wieder dazwischen kommt, der ja jetzt kaum noch zu vermeiden scheint. Na, hoffen wir das Beste, in herzlicher Freundschaft

Ihr R. Hildebrand.

Viel Vergnügen zu der Reise nach Lindau! Ich wollte ich könnte dabei sein. Meinen Glückwunsch an Ludmilla, wenn Sie ihn anbringen können, sie hatte ja einmal kein Nonnen­fleisch, wie die Frau Wirthin von ihr sagte!

Keine