VON WILHELM PHILIPP VON HAMM AUS WIEN

lfndenr: 
631
25. November 1868

Verehrter Herr!

Rechnen Sie mir es nicht als Unart oder Vernachlässigung an, daß ich Ihr werthes, interessantes Schreiben erst heute beantworte. Als es einlief, war ich schon wieder auf Dienstreisen; kaum waren diese beendet, so kam der Agrarische Congreß, der mir keine freie Minute gönnte, und als der vorüber war, wollte ich doch erst Ihr „Arm und Reich" lesen, für dessen freundliche Uebersendung ich herzlich danke. Das hab' ich denn nun am Sonntag in einem Zuge gethan und zwar mit doppelt gefesseltem Interesse, da ich ja nunmehr Land und Leute kenne. Da ich auch die „Sonderlinge" frisch von der Presse weg gelesen habe und besitze, so darf ich mir vielleicht ein Wort der Kritik erlauben, welches lautet: Arm und Reich ist ein Fortschritt in der knapperen Charakteristik, in der geschickten Bewegung der handelnden Gruppen vielleichtauch im Styl und Ausdruck. Ich hoffe damit, den Sonderlingen nicht zu nahe zu treten, die ich hoch verehre, und mir für die Winterabende zur abermaligen lecture zurechtgelegt habe, die mir jetzt erhöhten Genuß gewähren wird. — Ihre eigenthümliche Laufbahn verfolge ich schon seit dem ersten Bekanntwerden derselben mit großem Interesse, denn, wenn ich auch meine fachliche Thätigkeit dem materiellen Gebiete zuwende, so bin ich nichts destoweniger den schönen Wissenschaften nicht fremd, bin namentlich seit Jahren Mitarbeiter der Gartenlaube und ähnlicher periodischer Schriften. Daher war mir der Ausflug in den Bregenzer Wald, speziell zur Thierschau nach Andelsbuch, schon um deswillen so anziehend, weil ich fest darauf zählte, bei dieser Gelegenheit mit Ihnen zusammenzutreffen. Je nun, aufgeschoben ist nicht aufgehoben; es hat mir so gut in Ihren reizenden Bergthälern gefallen, daß ich sie gewiß so bald als möglich wieder heimsuchen werde. - Vor allen Dingen möchte ich aber jetzt die Frage erörtern: Wie und auf welche Weise kann ich Ihnen hülfreich sein? Sprechen Sie sich darüber ganz offen aus. Brauchen Sie Geld, brauchen Sie Aufträge? Ich kann, wenn Sie das wünschen, die Schillerstiftung für Sie interessiren, ich kann für Sie eine Nationalsubscription in der Gartenlaube eröffnen und werde dies gern thun, sobald Sie mir dazu Erlaubniß geben. Sträubt sich dagegen ihr Sinn, so möchte ich Sie auf ein Gebiet weisen, auf dem Ihre Feder jeden wünschens­werthen Lohn erwerben könnte. Es ist dies die landwirthschaftliche Belehrung im Gewände der Dorfgeschichte. Daran fehlt es noch sehr, was wir davon haben, ist wenig werth; dergleichen Bücher, wenn gut, nützen viel, werden überall gekauft u. gelesen. Hier könnte ich auch von meinem amtlichen Standpunkt aus mit Remuneration und Subvention ohne Weiteres zu Hülfe kommen. Gern bin ich persönlich bereit, zu jeder Ihnen etwa nöthig erschei­nenden Auskunft, zur Berathung des Plans, zur Aufstellung der Gesichtspunkte und Ziele etc. ohne dabei im Geringsten der Gestaltungskraft des Autors zu nahe treten zu wollen. Es sollte für mich wahrlich ein schöner Erfolg sein, wenn es mir gelänge, Sie auf ein Gebiet zu ziehen, welches Ihnen ja das nächstliegende sein muß. Kennen Sie die Schriften von Jeremias Gotthelf? Unter ihnen ist ein Band, betitelt: Die Käserei in der Vehfreude; dieser span­nende Roman im schlichtesten Gewand der Dorfgeschichte hat­trotz seiner vielen rohen, oft unverzeihlichen Auswüchse - für das Käserei = Genossenschaftswesen in der Schweiz mehr geleistet, als alle ändern daraufgerichteten Bestrebungen. In ähnlicher Weise Ihr Talent zu verwerthen, dahin möchte ich Sie stimmen; der Charakter= Roman bleibt Ihnen nebenbei unbenommen. Was sagen Sie dazu? Neulich hatte ich an R. Gottschall in Leipzig geschrieben von meiner Vorarlberger Reise; er hat mir geantwortet: Schreiben Sie mir so rasch als möglich einen Beitrag für Unsere Zeit über das wundervolle Land und vergessen Sie dabei nicht umständ­lichen Bericht über die Felder'schen Romane! - Sie sehen, wie sehr man Sie draußen schon schätzt.* Find' ich über Winter Zeit, so schreib' ich wohl eine „Vorarlberger Scizze". Leben Sie wohl, verehrter Herr, und erfreuen Sie mich mit einer recht offenen, vertrauenden Antwort, die mir Gelegenheit giebt, Ihnen zu beweisen, daß Handeln besser ist, als Worte.

Ihr ergebenster

Dr. W. Hamm

Ackerbauministerium

* Dagegen ist es unverzeihlich, daß man gerade in Ihrem Vater­lande, in Österreich, noch am wenigsten von Ihnen weiß; wem ich von Ihnen erzähle, dem berichte ich Neues. Arm u. Reich habe ich dem Hofrath v. Tschabuschnigg, dem bekannten Dichter, zu lesen gegeben.

Keine