KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER

lfndenr: 
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28. April 1867

Lieber Freund!

Den mit Deinem Werten vom 16. d. Ms. übersendeten Brief von Hildebrand schicke ich mit der englischen Notiz und einer Übersetzung wieder zurück. Den von Hildebrand er­wähnten Aufsatz habe ich in der Gartenlaube gelesen. Das sind alles schöne Sachen und geeignet, Dir und Deinen Ideen Boden zu verschaffen. Nun, das Wahre und Echte dringt immer durch und man darf sich nie bang sein lassen, daß die Tugend nicht ihren Lohn erhalte. Daß Hildebrand für Dich so eifrig eintritt, scheint nur eine natürliche Folge des Ver­hältnisses zu sein, in dem das Sentimentale von jeher und auch zu Goethes und Schillers Zeiten zum Naiven steht. Nach Hildebrands Schreibart und namentlich nach der Art, wie er von einer merkwürdigen Kette von Zufällen und einer höhe­ren Hand schreibt, kommt mir vor, daß in Eurem Verhältnis der Sentimentale vom Naiven jedenfalls mehr zu profitieren hat als dieses von jenem. Mir kommt die Hildebrand'sche Sentimentalität beinahe wie Romantik vor, hoffe aber, daß sie Dir nicht schadet, selbst wenn Du mit ihm auf Reisen gehst. Etwaigen Überreizen gegenüber wird Deine Natur das Gleichgewicht schon wieder finden. Immerhin aber wäre es vielleicht besser, wenn die Überreize gar nicht stattfänden. ­Der Scheffel'sche Standpunkt wäre mir viel sympathischer, da er ruhiger, objektiver und viel sinniger ist. ­Daß Keil Geschäftspolitik trieb, war mir nie zweifelhaft, und ich hätte Dir nicht Anlaß zu unangenehmer Gemütsbewegung gegeben, wenn ich nicht nach Deinem Schreiben vom 4. d. Ms. gemeint hätte, die Autodidaktenstelle, die von Keils eigener Hand /: von Nostradamus eigener Hand :/ kam, habe Dir gefallen. Doch diese Sache sei nun zum Guten abgetan und nebenbei konstatiert, daß man alles, auch Briefe, vor­sichtig lesen muß, was auch daraus sich ergibt, weil Du meinst, ich habe Dich gefragt, ob Hildebrand mich wegen meines Rechtsstandpunktes für ein Original halte. ­Wenn die Ultramontanen Dir so stark zusetzen, daß sie Dir lästig werden, will ich gern einen Teil der Bürde auf mich nehmen. Ich will durch eine entschiedene Erklärung in un­seren Zeitungen mich als Verfasser der Klarstellung bekannt­geben und die Herrn einladen, ihre Stiche und Witze gegen mich zu wenden. Das könnte dann ein nicht uninteressantes Zeitungsturnier absetzen. -

Wegen der Viehassekuranz ersuche ich eine baldige Auskunft. Ich bin nun dem landwirtschaftlichen Verein beigetreten, um meiner scharfen Assekuranzkritik mehr Halt zu geben, hatte es übrigens schon lange im Sinn. -

Hier ist jetzt schönster Frühling und Gras zum Mähen. Wahr­scheinlich suche ich bald um Urlaub von einigen Wochen an und werde ihn lieber auf einer Alp als auf Reisen in Deutsch­land oder sonst verbringen. ­Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

K. Moosbrugger

Keine