KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER

lfndenr: 
392
14. Juli 1867

Lieber Freund!

Dem Hildebrand, der beim Anlangen dieses Briefes in Schop­pernau sein wird, biete ich deutschen Gruß und Handschlag. Es freut mich, wenn er auf dem Gang durch Vorarlberg mit Dir hieher kommt, und hoffe und wünsche, daß der Genius Deutschlands Euch geleite in allen Landen und Städten, in die er Dich führen will. Glück auf die Reise, die Dir Kraft und Mut geben wird zu neuen Taten für die Befreiung des Vater­landes. Nimm das Gefühl, das sich gegen das gerichtliche Ver­fahren in Deiner Prozeßsache empört, mit Dir, läutere es in der Kulturwerkstätte des deutschen Geistes und laß es dann frisch und wuchtig mitzimmern an den nächsten Werken Deiner Muse. Dein Standpunkt wird ein so imposanterer sein, je bedeutender die Mächte sind, denen Du gegenüber stehst. Nach meinem letzten Brief wird es Dir klar sein, daß bereits das offizielle Österreich im Lager Deiner Gegner sich befindet. Das Österreich des Konkordats muß Dir den Krieg erklären, und erwarte daher nicht, daß es Deinen Gegnern wehe tun wird. Nach Artikel 13 und 14 des Konkordats fordert der Heilige Stuhl mit Rücksicht auf die Zeitverhältnisse nicht, daß die Geistlichen wegen Verbrechen oder anderen Vergehen vor das weltliche Gericht gestellt werden, und nach Art. 15 ist den Kirchen Immunität gewährt. Nach Art. 16 wird der Kaiser nicht zugeben, daß etwas geschehe, was die Diener des Heiligen Stuhles herabsetzen und verächtlich machen könnte. Müller kennt diese Gesetzes-Bestimmungen genau und berechnet sicher, was er tut. Wer weiß, ob er nicht schon Winke von oben bekommen hat. Mein Rat in Deiner Sache ist daher dieser: Laß Dich durchaus in keinen Ausgleich ein, außer es werde Dir die Satisfaktion geleistet, die Du begehrst. Wenn dies nicht geschieht, begehre ein Urteil und daß Dir dasselbe mit Gründen schriftlich zugestellt werde. Bist Du mit demselben nicht zufrieden, so melde alsogleich die Be­rufung an und sage zu Protokoll, daß Du mich bevollmäch­tigst, die Berufungsausführung zu machen. Schicke dann das Urteil mit Gründen und eine kurze Beschreibung der Schluß­verhandlung ohne Verzug mir, damit ich in der gesetzlichen Frist von acht Tagen die Berufungsausführung nach Bezau schicken kann. Bewahre bei der Prozedur den Gleichmut, beobachte alles, was geschieht und bereichere hiedurch den Kreis Deiner Erfahrungen. Der Prozeß soll, wenn Dir nicht Genüge geschieht, in die obern Instanzen getragen und bis nach Wien getrieben werden. Du mußt einen Einblick in die österreichischen Justizverhältnisse erhalten, damit Du dann so viele auffallende Erscheinungen unseres öffentlichen Le­bens Dir leichter erklären kannst. Dein Standpunkt sei der des Philosophen und des Erfahrungslustigen. Du kannst und wirst in den Werken Deines Geistes tausendfach Deinen Gegnern heimzahlen. Laß Dich durch das offizielle Österreich - Ultra­montanismus im Sinne der Klarstellung - nicht einschüchtern. Dieses Österreich hat schon schmähliche Löcher. Sehe auf die Verhandlungen des Reichsrats in Wien und das kleine Bild, das die Landeszeitung, dieses offizielle Regierungsblatt, da­durch bietet, daß sie die Besprechung der Sonderlinge durch den wackern Bayer [?] in dem Augenblick bringt, in dem der Statthalter unsere Grundsätze bedenklich findet. Dort wünscht die Offizielle Dir Glück zur Reise, hier perhorresziert der Offizielle Deine Grundsätze. Die Leiter des lecken Staats­schiffes können die eindringenden Fluten des Geistes eben nicht mehr zurückdrängen, und sie müssen das Schiff ent­weder zu Grunde sinken oder von diesen Fluten an ein sicheres Ufer treiben lassen. -

Dem Mayer habe ich, wie ich im letzten Brief anzeigte, bereits geschrieben und beiliegenden Brief von ihm erhalten. Ich weiß jetzt bestimmt, daß er das vor sechs Jahren erschienene Freie Wort an die Vorarlberger schrieb, wogegen dann die Berchtold'sche Broschüre losgelassen wurde. Ich erwarte von diesem energievollen und wißbegierigen Mann einen tapfern Mitkämpfer im Weinberge des Herrn. Er kommt nächstens in die Ferien, und Du wirst ihn hier treffen, wenn Du nicht schon in diesem Monate kommst. - Wie steht es mit der Sozial­demokratischen Partei in Deutschland? Bringe oder schicke mir die neuesten Nummern des Demokraten, damit ich ersehe, ob ich ihn bestellen soll oder nicht. ­Wegen der Geldsammlung bleibe ich bei meiner Ansicht und wundere mich, daß Mayer hievon nichts weiß. ­Laß kein Gift in Deiner Seele sich sammeln und mische in die Bitterkeiten, die das Pharisäertum und die Borniertheit Dir bereiten, die Agenzien des Geistes und der Ästhetik. Du bist für Höheres da und sollst Dir kein Jota des Arguments von diesen Rittern der traurigen Gestalt korrigieren lassen. Ich freue mich auf Deine und des Herrn Hildebrand Ankunft und bin mit Gruß und Handschlag

Dein Freund                                                    ....      ,

K. Moosbrugger

Pius hat mir dieser Tage geschrieben, melde ihm meinen Brudergruß mit dem, daß wir wegen der Bizauer Heimat gelegentlich reden werden. -

Keine