KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER

lfndenr: 
404
16. August 1867

Lieber Freund!

Dein wertes Schreiben habe ich gestern erhalten und mit vielem Vergnügen ersehen, daß Du die rechte Methode des Lernens und Bildens auf dieser für Dich und uns so wichtigen Reise in Anwendung bringst. Am meisten erfreulich scheint mir, daß Du unter den Urteilen über die Sonderlinge das des Magazins für die Literatur des Auslandes mitteilst, weil hier­nach die Vermutung gerechtfertigt ist, daß es Deinem Gefühl am meisten zusagt. Wohlan, werde Bahnbrecher für das Deutsche in Österreich und schreibe, wie vom Volk, so für das Volk! - Ich habe den Brief gleich im Kaffeehaus - es war Feiertag - verlesen, und man hörte andächtig zu. Man gratu­lierte und besonders Dr. Bickel und Andreas Gassner. Ich schrieb gleich dem Kunz wegen der Schriften und ging dann zu Mayer, der jetzt hier ist. Er las den Brief und war erfreut. Die Zwei Geburtstage können wohl nur in der Feldkircher Zeitung veröffentlicht werden, aber Kunz scheint wegen seiner Abreise gleichgültig zu sein und wird daher die Ände­rung in der Redaktion abzuwarten sein. Mayer zeigt sich sehr eifrig und studiert fleißig die Lassalleschen Werke. Er hat von mir das System der erworbenen Rechte und ist in der Haupt­sache mit uns derselben Überzeugung. Über die Verhältnisse in Wien ist er sehr gut unterrichtet, und ich wünschte nur, daß er am Hildebrandsabend bei uns gewesen wäre. Mayer wird Dich, wenn Du auf der Rückkehr von Leipzig nicht hieher kommst, vor dem Weggang nach Wien noch be­suchen. - Ich käme sehr gern nach Leipzig, Dich abzuholen, aber es wird unmöglich sein, weil eben Dr. Grebmer einen dreiwöchentlichen Urlaub erhalten hat und mein Abgang daher nicht mehr statthaben kann. Auch ist Schohmann [?] von Innsbruck noch hier, und die Grundlastenverhandlungen müssen mit ihm gepflogen werden.

Dieser Tage schrieb mir Feurstein von Bezau, daß am 24. d. Ms. eine Versammlung wegen der Käshandlungsgesellschaft stattfinde und er mir den Entwurf der Grundsätze für dieselbe bis dahin mitteilen werde. Übrigens geht er nach Paris und will bis 24. wieder zurück sein. - Unter den vielen Erschei­nungen hoher Kultur wirst Du die des Lassalleanismus, wie er dort vorkommt, zu studieren nicht unterlassen, dabei aber nicht vergessen, daß die Lassalleaner bisher in Sachsen und Schleswig-Holstein sich am schlechtesten bewährt haben. -

Von Jochum, den beiden  Dr. Fetz und Moosmann, daher von den Vorarlberg'schen Juristen  in Wien  erzählt Mayer nichts Gutes. Kein Wunder, da die Juristerei in Österreich durch und durch vergiftet ist. -

Nach Hildebrands Weggang hatte ich einige Zeit mit den erhaltenen Eindrücken zu kämpfen, nun sehe ich, daß sie

doch gut waren wegen der Anregung. -

Übrigens herrscht hier die alte Monotonie des Lebens, und man bescheidet sich mit den Gemütsfreuden, die es bietet.

Ich freue mich auf baldige weitere Nachrichten. Dem Herrn Hildebrand bitte ich meine Empfehlung zu melden. ­Mit Gruß und Handschlag, Dein Freund

K. Moosbrugger

Keine