VON HANNS KODERLE AUS BEZAU
Verehrter Herr Felder!
Vor allem danke ich Ihnen für die Übersendung der Monatshefte. Der erste Einblick hat mir gezeigt, daß darin viel Interessantes ist. „Schwarzpale" werde ich heute Hrn Elsensohn übermitteln, jedoch von Ihrer freundlichen Erlaubniß, es lesen zu dürfen mit Freuden Gebrauch machen, sobald H. E. damit fertig ist.
Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir meine Bitte um den Anfang des in der Beilage der Allgem. Zeitung vom d. 1865 erschienen Aufsatzes „W. H. Rüssel über die gescheiterte transatlantische Telegrafenleitung" zu wiederholen. Den Schluß davon Nr. 237 besitze ich, der Anfang dürfte in den Nr. 236 - 235 etc enthalten sein die mir sehr abgehen, weil die Sache dort gründlich behandelt ist und ich es zu der eben
in Arbeit befindlichen historischen Einleitung benöthige. Falls Sie diese Nr. besitzen, so bitte ich nochmals inständigst mittelst Auer Bothen darum.
Ich habe die Absicht gehabt Ihnen heute auch so zu schreiben, da ich Ihnen in Ihrem Interesse eine Ansicht mittheilen will:
In Ihrer Beschreibung der Reise nach Thannberg führen Sie mehrmals die Anwesenheit eines „Adjunkten" die treue Photografie eines verknöcherten Beamten auf. Für die zahlreichen Leser der Gartenlaube in Vorarlberg und Tirol wird es sehr leicht sein, sich Ihren Hrn Schwager darunter vorzustellen, da Sie ihn noch über Stuben nach Bludenz zurückreisen lassen. Das Bild wird seiner Personverwechslung eben nicht schmeicheln. - Daß es aber aus Rücksicht auf ihn und Ihre Beziehungen zu ihm sowohl, gerathener erscheinen dürfte den „Adjunkten" in den einfachen „Beamten" umzutaufen, werden Sie selbst einsehen. Unter der allgemeineren Bezeichnung „Beamte" wird Niemand Ihren H Schwager suchen, und sich an diesem Typus der Feder und §§ höchstens erfreuen. Gegenüber den übrigen außerösterreichischen Lesern der Gartenlaube erscheint es sogar geeigneter u. passender, da in Deutschland draußen der Adjunktentittel nur ändern Gehülfen zukommt, in der Beamten Hyrarchie aber gar nicht vorkommt. Er würde eher eine Verwechslung des Gerichtsbeamten mit irgend einem Handreicher (Schreiber) herbeiführen. Ihre Kritik über Elsensons Sagen habe ich mit Vergnügen gelesen. So treffend gezüchtiget hätte ich mir sie nicht gedacht. Die unverzeihliche Außerachtlassung der Hauptbezugsquelle im Anführungsverzeichnisse hat aber eine solche Beurtheilung mit vollem Rechte verdient. Auch die Folgerungen über einige Sagenunrichtigkeiten sind schlagend durchgeführt. Sie halten sich hauptsächlich darüber auf daß das Bregenzervolk v. E. als Sagenarm, Poesiearm u. realistisch [gefürt] ist. Ich muß selbst gegen Ihre Anschauung offen u. ehrlich gestehen, daß etwas Wahres daran ist, da selten ein Völkchen so Liederarm, und Gesangarm ist wie der Wäldler. Die allerdings
etwas realistische Ausprägung ihrer intensiven Thätigkeit ist für die W. keine Schande, sondern nur ein bezeichnender Vorzug, der keineswegs die poetische Seite und die Gemüths(Seelen)bildung des Völkchens zu ersticken berufen ist. Die letztere durch einen reichen Liederschatz zu heben und dem realen Drange bestimmte Gränzen zu setzen ist die dankbarste Aufgabe der Dichter des Waldes. Heben Sie daher den Schatz u. das empfängliche Gemüth der Bevölkerung wird denselben aus Ihrer Hand dankbar empfangen. „Wo man singt da laß dich nieder, Böse haben keine Lieder" sollte sich bewahrheiten und mit volkstümlichen Liedern wird so manche rauhe Seite des Volkscharakters gründlich abgeschliffen. Das gute Lied lehrt ja nur die Liebe zum Weibe zum Kinde zur Menschenwürde u. edlen Handlungsweise kennen aber auch die schöne große Natur in ihrem ganzen Werthe u. Größe erkennen etc etc etc Ihr
Hanns Koderle