VON HANNS KODERLE AUS BEZAU

lfndenr: 
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1. September 1866

Verehrter Herr Felder!

Vor allem danke ich Ihnen für die Übersendung der Monats­hefte. Der erste Einblick hat mir gezeigt, daß darin viel Inter­essantes ist. „Schwarzpale" werde ich heute Hrn Elsensohn übermitteln, jedoch von Ihrer freundlichen Erlaubniß, es lesen zu dürfen mit Freuden Gebrauch machen, sobald H. E. damit fertig ist.

Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir meine Bitte um den Anfang des in der Beilage der Allgem. Zeitung vom d. 1865 erschienen Aufsatzes „W. H. Rüssel über die gescheiterte transatlantische Telegrafenleitung" zu wiederholen. Den Schluß davon Nr. 237 besitze ich, der Anfang dürfte in den Nr. 236 - 235 etc enthalten sein die mir sehr abgehen, weil die Sache dort gründlich behandelt ist und ich es zu der eben

in Arbeit befindlichen historischen Einleitung benöthige. Falls Sie diese Nr. besitzen, so bitte ich nochmals inständigst mit­telst Auer Bothen darum.

Ich habe die Absicht gehabt Ihnen heute auch so zu schrei­ben, da ich Ihnen in Ihrem Interesse eine Ansicht mittheilen will:

In Ihrer Beschreibung der Reise nach Thannberg führen Sie mehrmals die Anwesenheit eines „Adjunkten" die treue Pho­tografie eines verknöcherten Beamten auf. Für die zahlreichen Leser der Gartenlaube in Vorarlberg und Tirol wird es sehr leicht sein, sich Ihren Hrn Schwager darunter vorzustellen, da Sie ihn noch über Stuben nach Bludenz zurückreisen lassen. Das Bild wird seiner Personverwechslung eben nicht schmei­cheln. - Daß es aber aus Rücksicht auf ihn und Ihre Beziehun­gen zu ihm sowohl, gerathener erscheinen dürfte den „Ad­junkten" in den einfachen „Beamten" umzutaufen, werden Sie selbst einsehen. Unter der allgemeineren Bezeichnung „Beamte" wird Niemand Ihren H Schwager suchen, und sich an diesem Typus der Feder und §§ höchstens erfreuen. Ge­genüber den übrigen außerösterreichischen Lesern der Gar­tenlaube erscheint es sogar geeigneter u. passender, da in Deutschland draußen der Adjunktentittel nur ändern Gehül­fen zukommt, in der Beamten Hyrarchie aber gar nicht vor­kommt. Er würde eher eine Verwechslung des Gerichtsbeam­ten mit irgend einem Handreicher (Schreiber) herbeiführen. Ihre Kritik über Elsensons Sagen habe ich mit Vergnügen gele­sen. So treffend gezüchtiget hätte ich mir sie nicht gedacht. Die unverzeihliche Außerachtlassung der Hauptbezugsquelle im Anführungsverzeichnisse hat aber eine solche Beurtheilung mit vollem Rechte verdient. Auch die Folgerungen über einige Sagenunrichtigkeiten sind schlagend durchgeführt. Sie halten sich hauptsächlich darüber auf daß das Bregenzer­volk v. E. als Sagenarm, Poesiearm u. realistisch [gefürt] ist. Ich muß selbst gegen Ihre Anschauung offen u. ehrlich geste­hen, daß etwas Wahres daran ist, da selten ein Völkchen so Liederarm, und Gesangarm ist wie der Wäldler. Die allerdings

etwas realistische Ausprägung ihrer intensiven Thätigkeit ist für die W. keine Schande, sondern nur ein bezeichnender Vorzug, der keineswegs die poetische Seite und die Gemüths­(Seelen)bildung des Völkchens zu ersticken berufen ist. Die letztere durch einen reichen Liederschatz zu heben und dem realen Drange bestimmte Gränzen zu setzen ist die dank­barste Aufgabe der Dichter des Waldes. Heben Sie daher den Schatz u. das empfängliche Gemüth der Bevölkerung wird denselben aus Ihrer Hand dankbar empfangen. „Wo man singt da laß dich nieder, Böse haben keine Lieder" sollte sich bewahrheiten und mit volkstümlichen Liedern wird so manche rauhe Seite des Volkscharakters gründlich abge­schliffen. Das gute Lied lehrt ja nur die Liebe zum Weibe zum Kinde zur Menschenwürde u. edlen Handlungsweise kennen aber auch die schöne große Natur in ihrem ganzen Werthe u. Größe erkennen etc etc etc Ihr

Hanns Koderle

Keine