VON JOSEF FEUERSTEIN AUS BEZAU

lfndenr: 
642
12. Dezember 1868

Lieber Freund!

Gegenwärtig verlaufen mir die Tage in Ziffern u. Zahlen, und nur am Abend erfolgt durch die nicht gar zu langen Vorlesungen der Margareth eine Unterbrechung.

Um so mehr freut es mich von dir Nachrichten zu erfahren die wahrhaft nicht in den Bereich des Gewöhnlichen gehören. Das Schreiben des Ministerialraths Hamm hat wenigstens meine Erwartungen noch übertroffen. Ich habe dasselbe zuerst gelesen und mir gedacht was du von seinen Anerbiethungen zuerst an­nehmen werdest.

In der Eile fiel mir ein du werdest wohl zuerst darnach greifen, ein von der Regirung unterstützter Schriftsteller zu werden wenn dir über die Art deines Wirkens vollkommen freier Spielraum gelassen werde.

Aber bei Lesung deines Schreibens mußte ich dir doch recht geben, und meinte noch hinter deiner Wahl eine dir eigene Berechnung zu erblicken, dahingehend, daß man die scheuen Vögel zuerst fangen müße.

Mir scheint mit diesem Schreiben hat die Aussicht auf deine finanzielle Zukunft sich auf einmal ganz anders gestaltet, deß­wegen war ich einigermassen überrascht daß dein Jubelruf einzig dem Freigesprochen des Auer Caßino galt; aber auf der ändern Seite ist auch wahr, daß dich der Anklagezustand in früheren Jahren gewaltig geärgert hat.

Der Käsehandlungsverein wächst im Kredit; binnen einigen Tagen wurden von Bregenzerwäldern über 6000 Fl. Anlehen in die Caße eingelegt. Dadurch haben wir natürlich Geldüberfluß bekommen und der Außschuß beschloß in der Folge dessen, daß allen jenen Mitgliedern, welche noch unausgeglichene Schätzungen besitzen der betreffende Betrag oder ein Theil deßselben zu 5 % abgelassen werde, wenn sich das betreffende Mitglied binnen 4 Tagen melde.

Wir haben „Reich und Arm" wieder von neuem zu lesen ange­fangen und ich habe wieder viel schönes dabei gefunden, was ich bei der ersten Lesung gänzlich übersehen habe. Dein Stiel ist so gedrängt daß, wenn sich der gemüthliche Zuhörer auf dem Kanapee einige eigene Gedanken erlaubt, u. die gütige Leserin dessen ungeachtet mit ihrem Vortrage fortfährt, der Erstere sich bei ein paar überträumten Sätzen auf einem ganz anderen Gedanken­felde wiederfindet.

Der Stülzlis Mari habe ich deinen Gruß ausgerichtet, sie machte aber ein ganz ungläubiges Gesicht dazu. Der Karl ist mit deinem Roman den du ihm geschickt hast, sehr zufrieden, allein er kömmt vor lauter Liebesangelegenheiten nicht recht zum Lesen. Viele Grüße von der Margreth u.

Deinem Freund Josef

Keine