VON JOSEF FEUERSTEIN AUS BEZAU

lfndenr: 
656
8. Januar 1869

Lieber Freund!

Dein Schreiben habe ich erhalten und dem Comite vorgelegt. Nach den bereits berathenen Statuten die im Ganzen auf demokra­tischer Grundlage beruhen, kann das Comitee keine endgültige[n] Beschlüße faßen, sondern es sind alle Vorschläge desselben der Versammlung der Vereinsmitglieder zur Beschlußfassung vorzu­legen.

Es wäre deßwegen am angemessensten wenn du bis in einigen Tagen nach Bezau kämest, mit Vollmachten versehen um über die Vereinigung beider Bibliothecken verhandeln zu können. Das Resultat dieser Verhandlungen würde dann der Mitgliederver­sammlung mitgetheilt u. wenn dieselbe die Vorschläge des Comite begutachtet wäre die Sache abgeschlossen. Eine Mitglieder Versammlung findet längstens bis 17. Jänner statt. Es wäre natürlich sehr angenehm wenn du das Verzeichniß der Bücher mitbrächtest.

Es ist schon eine ganze Kiste Bücher unterwegs, die zweckmäßige Auswahl wird jedenfalls eine schwingte] Arbeit abgeben u. beson­ders da jetzt gegenwärtig noch nicht über 200 fl. zur Disposition stehen. Ich erwarte dich im Verlaufe einiger Tage in Bezau, wo uns dann Gelegenheit gebothen ist uns über dieß u. anderes zu unterreden.

Mit Reich u. Arm sind wir nun bald fertig u. ist der Eindruck den dasselbe auf uns gemacht ein so vortrefflicher daß ich dich eigentlich nur den Verfasser von Arm u. reich nennen möchte. Das Volksleben ist darin tief u. treu wiedergegeben, die sozialen Mißverhältniße getreu u. ohne Leidenschaft wiedergegeben, obwohl mancher Leser sich bei verschiedenen Stellen etwas unan­genehm berührt fühlen wird, wenn das was er durch hergebrachte Uebung u. Gewohnheit als zu Recht bestehend u. in Folge dessen auch als bilig u. unantastbar betrachtete hie u. da einer strengen Prüffung unterzogen sieht. Natter hat mich auf der Durchreise besucht, und gefiel mir ganz gut daß sich derselbe noch weiter in einigen nothwendigen Fächern ausbilden will. Den bereits ausge­heckten Plan deine u. Feldkirchers Gedichte in einer Sammlung herauszugeben dürfen wir nicht liegen lassen, deine humoristi­schen Gedichte stehen dabei nach meiner Ansicht in erster Linie. Es grüßt dich

dein Freund Josef Feuerstein

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