VON RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
246
4. November 1866

Lieber Freund,

Ich bin nicht überrascht von Ihrem Mahn- und Fragebriefe, ich war mit leisem Bangen darauf gefaßt, darf Sie aber doch trotz drängender Geschäfte nicht länger auf Bescheid warten lassen.

Die Seuche ist Gott sei Dank an mir und den Meinen, auch an meinem nächsten Freundeskreise vorübergegangen, nur gekostet gleichsam haben die meisten davon, ich gerade nur ganz schwach - doch sicher ist noch immer keiner, das letzte Aufflackern ist noch nicht vorbei. Es war eine bange böse Zeit, als täglich in die Fünfzig weggerafft wurden, oft binnen 5-6 Stunden nach völliger Gesundheit. Ich danke Ihnen für Ihr herzliches Andenken an mich und die Meinen. Ich habe aber auch, mit Kummer von der Rinderpest bei Ihnen oder in Ihrer nächsten Nähe gelesen, sind Sie davon betroffen wor­den?

Mein langes Schweigen hatte den Grund, daß ich leider nichts Entscheidendes oder Förderndes melden konnte, und ich habe leider eine ziemlich ausgedehnte Correspondenz auch sonst zu führen, komme aber nur immer Sonntags ans Briefe­schreiben, oft an einem Tage vier, fünf und mehr. Dazu fal­len auch von der Wochenarbeit immer noch Geschäftchen oder Geschäfte für den Sonntag ab, und die Familie nimmt einen Sonntags auch in Anspruch - also beunruhigen Sie sieb nicht wenn ich im allgemeinen immer später schreibe als ich wünschte.

Die Sonderlinge hat Hr. Hirzel noch bei sieb, hat sie aber wie es scheint noch nicht ganz gelesen. Drängen mag ich nicht in ihn, aus Besorgniß unser Spiel dadurch zu verderben. Das hab ich aber schon weg und darfs Ihnen nicht verhehlen, daß die Wärme seines ersten Angebots von damals nicht mehr so da ist, und daß der entscheidende Entschluß zum Drucke ihn eine gewisse Überwindung kostet; er ist einmal eine mehr aristokratische Natur, der das Bäuerliche an und für sich fremd ist, und wenn er sich für den Druck entscheidet (was ich mit Bangigkeit ersehne), so ist es ein Sieg den wir über seine Neigung erfochten haben. Daß er mit sich und seinem Verlage spröde thut, wird Sie nicht wundern, wenn Sie hören, daß er in der ganzen Zeit seiner Verlegerthätigkeit in Wissenschaft und Dichtung vorwiegend mit Leuten ersten Ranges zu thun gehabt hat, und wie jetzt mit Freytag, so früher mit Rückert, Lenau, Chamisso in Verhältniß gestanden hat. Er äußerte sieb vorgestern von freien Stücken, er wolle nun nach einer vorhabenden Reise auch Ihre Angelegenheit endlich erledigen, in welchem Sinne, danach zu fragen hatte ich nicht den Muth. Wir müssen auf ein nein gefaßt sein ­ich wäre tief betrübt oder grimmig, wenns so käme. Die von Halle aus auftauchende Hoffnung ist leider auch auf die lange Bank gekommen. Gosche hat seit jenem Briefe, von dem Sie wissen, nichts wieder von sich hören lassen. Da­mals war er in den Ferien im Bade in Kosen (10 Stunden von hier), jetzt ist er wieder in Amtsthätigkeit, umspült vom Strom des Geschäftslebens, das wird der Grund sein. Daß ich ihn aber nicht mahne und dränge, hat denselben Grund wie mein Verhalten gegen Hirzeln. Aber wahrscheinlich ist die Ausgabe seines Jahrbuchs mit dem erwähnten Aufsatze, in dem Sie mit vorkommen, in den nächsten Wochen zu er­warten, da Weihnachten vor der Thür ist, und was die Ver­leger noch in den großen Weihnachtskauf gebracht haben wollen, erscheint immer spätestens im November. Ist die Ent­scheidung günstig, woran ja eigentlich nicht zu zweifeln ist, so kann ja auch Hirzel sich einem ja nicht entziehen, und so hoffe ich die Entscheidung für Sie jede Woche, jeden Tag. Gosche hat auch Ihre Briefe noch, das ist der Grund wieder­um, daß ich mit Ihrem Tannbergaufsatz bei Keil noch nicht habe auftreten können. Ich muß Ihnen freilich auch mit Be­zug darauf gestehen, daß der Aufsatz mir für die Garten­laube nicht so recht geeignet scheint. Für eine Nummer ist er zu lang, theilen läßt er sich aber nicht gut, dazu fehlt ein natürlicher Abschnitt. Auch sind die Dinge darin zum Theil doch wol mehr von localem Interesse für Ihre Heimat, als von allgemeiner Anziehungskraft. Die Erzählung der Wan­derung hat oft nicht genug Hintergrund, besonders im letzten Theile, und das Ende verläuft geradezu etwas im Sande, da der Beamte dem Leser doch nicht wichtig genug geworden ist, daß man mit Genugthuung die Art seiner Heimkehr ver­folgen sollte. Sie machen den Leser im Anfang gespannt auf Erörterungen zwischen Ihnen und dem Beamten von allge­meiner Bedeutung (wie in den Sonderlingen auf dem Wege nach dem Vorsaß), aber ich finde nicht daß die Erwartung genügend befriedigt würde, ich wenigstens war nach jener Unterredung von Franz mit dem Arzte auf mehr gespannt, z. B. auf Erörterungen über das Verhältniß der Bauern und ihres Lebens zu den Gebildeten, Studierten, ein reiches Thema von hoher praktischer Bedeutung, wozu der Bauern­tanz und die Hochzeit trefflichen Anlaß gab. Auch ein kleiner Zwist dabei und Humor durften wol nicht fehlen, letzterer auch nicht bei der Schilderung der Bauernhochzeit mit ihren ererbten Unsitten.

Aber daß ich Sie nicht verstimme, in Ihrem Aufsatz ist auch vieles was ganz vortrefflich ist, Einzelnes von höchster dichteri­scher Schönheit, gerade aus der Landschaftsschilderung, in der Sie nicht Ihre Stärke finden wollen. Ein Freund, dem ich den Aufsatz zu lesen gab, räth mir dennoch mit der Gartenlaube einen Versuch zu machen - aber ich möchte nicht gern eine Abweisung erleben, zumal ich selbst einmal mit einem klei­nen Aufsätzchen von der Redaction zurückgewiesen oder ignorirt worden bin. Aber was ich auch damit noch thue, verloren gehn darf Ihr Aufsatz nicht, der erwähnte Freund traut sich zu, ihn in einem ändern Blatte sicher unterzubrin­gen. Die Zeichnung vom Schrecken wird ja auch zu verwer­then sein, könnten Sie nicht dazu einen Aufsatz für die Gar­tenlaube schreiben? Sollte übrigens Gosche bald über Sie sich günsig aussprechen, so würde ich doch bei Keil einen Versuch machen.

Daß Sie Walther von d. Vog. lesen und was Sie darüber sagen, war mir höchst interessant; wenn ich nur dabei sein könnte, um Ihnen noch mehr zu erklären, als die Erklärung dort thut, die manches Wichtige außer Augen läßt, besonders das Ästhetische, und rein Menschliche, worin damals manches anders war als jetzt.

Die Nummern der Feldkircher Zeitung will ich Ihnen doch bei Gelegenheit wieder schicken, da Sie für Sie wichtiger sind als für mich. Die Flensburger Zeitungsnummern möcht ich gern sehen, ich schicke Ihnen als Probe des Leipziger Lebens eine Nummer eines hiesigen Tageblattes mit, [die Sie behalten können].

Herzlich grüßend                                         

Ihr R. Hildebrand.

Ja so, eine Hauptsache hätt ich bald vergessen. Daß ich die Zusendung der Journale von hier aus nicht früher eingeleitet habe, liegt an einem Misverständniß meinerseits, ich glaubte erst noch bestimmte Anweisung von Ihnen erhalten zu sol­len. Nun hab ich aber gleich die nöthigen Schritte gethan, Hr. Quellmalz, Inhaber des Märkerschen Leseinstituts, bei dem ich auch lese, will Ihnen künftig wöchentlich auf Bucb­händlerwege schicken was Sie wünschen, es kann wol durch Steüner gehen? sonst nennen Sie mir einen ändern in Lindau oder Bregenz. Quellmalz schickt Ihnen ein Verzeicbniß seiner Sachen mit (leider ein schon gebrauchtes), da suchen Sie sich aus, er gibt für 7 Thaler vierteljährlich wenigstens 10 Blätter. Ich hab ihm von Ihnen erzählt, er ist ein älterer Mann von stillem Gemüth und höheren Interessen und nahm lebhaften Theil an Ihnen. Freilich werden Sie die Sachen erst 8 bis 12 Wochen nach dem Erscheinen erhalten, aber das thut wol nichts. Da Sie wol der letzte Empfänger sind, kann das Zu­rückschicken wol monatlich geschehen, ich habe danach zu fragen vergessen. Sobald ich von Ihnen Genaueres erfahre, kann die Sache in Gang kommen. Nun Gott befohlen, ver­zeihen Sie mir die Dolke auf der letzten Seite, sie sind im Finstern drauf gekommen.

Keine