AN WILHELM PHILLIP VON HAMM IN WIEN [ENTWURF]

lfndenr: 
633
1. Dezember 1868

Verehrtester Herr Ministerialrath!

Herzlichsten Dank für die Freude, die Sie mir mit Ihrem werthen Schreiben gemacht haben. Hier im engsten, schattigsten Aachthal, fern von Freunden und verlassen von dem einzigen Wesen, das mich recht und ganz verstand, vielfach angefeindet von denen, die hier noch der Menschen Gedanken beherrschen und auch fürder hin noch alein beherrschen und leiten möchten, thut es einem schon an Leib und Seele wohl, das was man möchte und damit auch sich selbst irgendwo freundlich beachtet und mit einer Nachsicht beurtheilt zu sehen, die ein herzliches Wohlwollen verräth.

Diesem Wohlwollen gedenken Sie aber nicht nur durch Worte ­und schon diese machten mich glücklich - sondern auch durch die That Ausdruck zu geben. Das läßt mich einmal etwas freier aufathmen, etwas weniger beklemmt an die Zukunft denken, die bisher kaum von einem Hoffnungsstrahl erhellt, vor mir lag und mich ängstigte.

Zwar bin ich von Jugend auf an bitterste Entbehrungen gewöhnt. Von den etwa 400 - 600 Bänden meiner Bibliothek hat fast jeder seine eigene Geschichte blutsaurer Erwerbung. Ich konnte fast nur bei Nacht lesen und schreiben; den Tag über mußte ich mir auf meinem Anwesen unser Brot und durch Tagwerkerarbeit u. dgl die theuren Bücher verdienen. Professor Dr Hildebrand war im Som­mer 1867 mehrere Wochen hier bei mir, um meine Verhältnisse kennen zu lernen. Er war vielleicht der einzige Freund, der meine Heimat in recht trüber Stimmung verließ. Als ein wahrer Freund that er für mich was er konnte. Er bettelte bei seinen Freunden in Leipzig für mich daß ich Geld bekomme, um einmal ein wenig etwas von der Welt zu sehen. Er beherbergte mich in seinem Hause und erschloß mir die bessere Gesellschaft. Aber es war ihm nicht möglich, für meine beiden Romane ein Honorar herauszubringen, das mich und die Meinen für längere Zeit sicher stellte. Die Sonderlinge sind bereits ins Holländische übersetzt und eine Übersetzung ins Französische ist in Aussicht, aber was hilft mir das, wenn ich unterdessen wieder die Mistgabel zur Hand nehmen oder das Anwesen des Vaters verlassen muß. Wenn meine Feder mir kaum so viel verdient, daß ich einen armen Verwandten die ärgste Würgerarbeit thun lassen darf, die dem kurzsichtigen geradezu lebensgefährlich ist.

Gestatten Sie mir, Ihnen kurz meine gegenwärtige Lage darzu­stellen.

Mein Anwesen dahier trägt vier Kühe. Rechne ich nun Jahreszins, Steuern, Taglöhne u. andere durch das Anwesen bedingte Ausga­ben, so bleiben mir vom jährlichen Ertrag höchst selten zweihun­dert Gulden, niehmals ein Kreuzer mehr dagegen oft viel weniger. Davon soll ich nun fünf Kinder mich und die beinahe blinde Großmutter erhalten. Freilich muß ich hier auch der Erträgnisse meiner Feder gedenken, aber mein Verleger zahlt mir bisher für den Bogen noch nicht einmal volle zehn Gulden. Und nun noch etwas recht trauriges etwas, das mir noch immer einen Stich ins Herz gibt und doch gesagt sein muß. Mein liebes gutes Weib hat nicht nur mein Auge geschont und bei Nacht für mich geschrieben und gelesen sondern mir auch - eine Magd erspart, die ich von jetzt an ebenfalls zu erhalten habe. Wie viel Geld mir da noch zu Büchern, wie viel Zeit zu so nötiger weiterer Ausbildung, wie viel Stimmung zu tüchtigem schriftstel­lerischem Schaffen bleibt, können Sie Sich denken.

Keine